Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Unterscheidung zwischen selbstmodifizierbarer Software und unveränderlicher Hardware ist das, was ich in diesem Schlußkapitel ausführen will, indem ich eine Anzahl von Variationen zu einem Thema entwickle. Einige dieser Variationen muten den Leser vielleicht als ziemlich weit hergeholt an, aber wenn ich die Schleife schließe, indem ich zum Gehirn, zum Geist und zum Bewußtsein-Empfinden zurückkehre, wird der Leser, so hoffe ich, in all den Variationen den invarianten Kern gefunden haben.
Mein Hauptziel in diesem Kapitel ist, einige Bilder zu vermitteln, die mir dabei behilflich sind, eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie das Bewußtsein aus dem Neuronen-Dschungel auftaucht — ein Bild von ungreifbaren Intuitionen zu vermitteln in der Hoffnung, daß diese Intuitionen wertvoll sind und vielleicht anderen ein bißchen behilflich sind, zu einer klareren Formulierung ihrer eigenen bildlichen Vorstellungen vom Funktionieren des Geistes zu gelangen. Mehr kann ich nicht hoffen, als daß meines Geistes verschwommene Bilder vom Geist und von Bildern als Katalysatoren für deutlicher umrissene Bilder vom Geist und von Bildern im Geist anderer dienen.
Ein selbstmodifizierendes Spiel
Eine erste Variante also betrifft Spiele, bei denen derjenige, welcher gerade an der Reihe ist, die Regeln modifizieren kann. Denken wir ans Schach. Offensichtlich bleiben die Regeln die gleichen, nur die Stellung auf dem Brett wechselt mit jedem Zug. Erfinden wir aber nun eine Variante, bei der der Spieler, der am Zug ist, entweder einen Zug ausführen oder aber die Regeln ändern kann. Aber wie? Beliebig? Können wir es in ein Dame-Spiel umwandeln? Natürlich wäre eine solche Anarchie sinnlos. Gewisse Einschränkungen sind notwendig. Zum Beispiel könnte eine Version die sein, daß man Springerzüge neu definiert. Anstatt 1-und-dann-2, könnten Sie m -und-dann- n lauten, wobei m und n beliebige natürliche Zahlen wären, und wenn man an der Reihe ist, könnte man entweder m oder n um plus oder minus 1 verändern. So könnte es von 1-2 nach 1-3, nach 0-3, nach 0.4, nach 0-5, nach 1-5, nach 2-5 ... gehen. Sodann könnte es Regeln geben, wie man die Züge der Läufer neu definiert und ebenso die der anderen Figuren, Regeln für die Hinzufügung von neuen und die Wegnahme alter Felder ...
Nun haben wir zwei Schichten von Regeln: diejenigen, die uns sagen, wie wir die Figuren bewegen müssen, und diejenigen, die uns sagen, wie wir die Regeln ändern sollen. Wir haben somit Regeln und Metaregeln. Der nächste Schritt ist klar: Einführung von Metametaregeln, vermöge derer wir die Metaregeln ändern können. Nicht so klar ist aber, wie das geschehen soll. Regeln für die Bewegungen der Figuren aufzustellen ist deshalb einfach, weil die Figuren sich in einem formalisierten Raum bewegen:dem Schachbrett. Wenn man eine einfache formale Notation entwirft, um Regeln und Metaregeln auszudrücken, dann können sie wie Ketten formal manipuliert werden, oder sogar wie Schachfiguren selbst. Um die Dinge bis zu ihrem logischen Ende zu führen, könnte man sogar Regeln und Metaregeln in Stellungen auf zusätzlichen Schachbrettern ausdrücken. Dann könnte eine beliebige Stellung als ein Spiel verstanden werden, oder als ein Satz von Regeln oder einer von Metaregeln usw., je nachdem, welche Interpretation man ihr gibt. Natürlich müßten sich beide Spieler einig sein, wie sie die Notation interpretieren.
Nun können wir beliebig viele Schachbretter nebeneinander haben: eines für das Spiel, eines für Regeln, eines für Metaregeln, eines für Metametaregeln und so weiter, so lange man will. Wenn man am Zug ist, kann man auf irgendeinem Schachbrett einen Zug ausführen — ausgenommen dem obersten —, indem man die passenden Regeln anwendet (diese werden auf dem hierarchisch nächsthöheren Brett vorgegeben). Beide Spieler würden ohne Zweifel völlig verwirrt durch die Tatsache, daß fast alles (aber nicht alles!) sich verändern kann. Definitionsgemäß kann das Schachbrett der obersten Stufe nicht verändert werden, weil es keine Regeln dafür gibt, die besagen, wie es zu ändern wäre. Dieses Brett ist unveränderlich. Es gibt noch mehr Unveränderliches: die Konventionen, mittels derer die verschiedenen Bretter interpretiert werden, die Übereinkunft, abwechselnd zu ziehen, die Übereinkunft, daß jeder Spieler ein Schachbrett verändern kann, wenn er am Zug ist usw. Bei sorgfältiger Prüfung dieser Idee wird der Leser noch anderes finden.
Nun
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