Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
oder Verwickelte Hierarchie vorstellen; aber der Autor H befindet sich außerhalb des Raumes, in dem die Verwicklung stattfindet — Autor H ist in einem unveränderlichen Raum. Obgleich Z, T und E alle direkt oder indirekt zueinander Zugang haben und sich in ihren verschiedenen Romanen allerhand Gemeinheiten zufügen können, kann keiner von ihnen das Leben von H bedrohen. Sie können ihn sich nicht einmal vorstellen, genauso wenig, wie man sich den Autor des Buchs vorstellen kann, in dem man selber auftritt. Müßte ich den Autor H zeichnen, so würde ich ihn irgendwo außerhalb des vorliegenden Blatts repräsentieren. Natürlich würde das ein Problem mit sich bringen, da das Zeichnen eines Gegenstandes ihn ja notwendigerweise auf ein Blatt brächte ... Auf jeden Fall befindet sich H tatsächlich außerhalb der Welt von Z, T und E und sollte auch so dargestellt werden.
Eschers Zeichnen
Eine andere klassische Variante unseres Themas ist Eschers Bild Zeichnen (Abb. 135). Hier zeichnet eine linke Hand (LH) eine rechte (RH), während gleichzeitig RH LH zeichnet. Wieder kehren sich Ebenen, die gewöhnlich als hierarchisch angesehen werden — das, was zeichnet, und das, was gezeichnet wird — gegen sich selbst und erzeugen so eine Verwickelte Hierarchie. Aber das Thema dieses Kapitels wird natürlich durchgehalten, denn hinter all dem steckt doch die ungezeichnete, aber zeichnende Hand von M. C. Escher, dem Schöpfer sowohl von LH wie von RH. Escher steht außerhalb des Zweihand-Raums, was man in meiner schematischen Repräsentierung (Abb. 136) deutlich sehen kann. In dieser schematischen Repräsentierung von Eschers Bild ist die Seltsame Schleife oder die Verwickelte Hierarchie oben, ebenso sieht man darunter die unveränderliche Ebene, die es ermöglicht, daß man erstere sehen kann. Man könnte Eschers Bild noch weiter „escherisieren“, indem man die zeichnende Hand fotografierte usw.
Gehirn und Geist: Eine neurale Verwicklung stützt eine
symbolische Verwicklung
Nun können wir das auf das Gehirn wie auch auf AI-Programme anwenden. Beim Denken aktivieren Symbole andere Symbole, und alle treten heterarchisch in Wechselwirkung. Des weiteren können die Symbole gegenseitig bewirken, daß sie sich im Innern verändern, so wie Programme, die auf andere Programme einwirken. Die Illusion kommt dadurch zustande, daß es wegen der Verwickelten Hierarchie von Symbolen keine unveränderlichen Ebenen gibt. Man glaubt, es gebe keine solche Ebene, weil sie unseren Blicken verborgen ist.
Wäre es möglich, das ganze Bild zu schematisieren, so hätten wir einen gigantischen Wald von Symbolen, die durch miteinander verwickelte Linien wie Ranken in einemtropischen Dschungel verbunden sind. Das wäre dann die oberste Stufe, die Verwickelte Hierarchie, in der die Gedanken wirklich hin- und herfließen. Das ist die schwer zu fassende Stufe des Geistes: das Analogon zu LH und RH. Ganz unten in der schematischen Abbildung, analog der unsichtbaren „Antriebskraft“ Escher, wäre eine Repräsentierung der Myriaden von Neuronen — das „unveränderliche Substrat“, das die Verwicklung über sich entstehen läßt. Interessanterweise ist diese andere Ebene selbst eine Verwicklung im wörtlichen Sinn: Milliarden von Zellen und Hunderte von Milliarden von Axonen, die sie alle miteinander verbinden.
Das ist ein interessanter Fall, in dem eine Software-Verwicklung, nämlich die der Symbole, von einer Hardware-Verwicklung, der der Neuronen, gestützt wird. Die neurale Verwicklung ist eine „einfache“ Verwicklung. Der Unterschied ist ungefähr der gleiche wie der zwischen Seltsamer Schleife und Rückkopplung, den ich in Kapitel XVI erwähnte. Eine Verwickelte Hierarchie liegt dann vor, wenn das, was man als säuberlich getrennte hierarchische Ebenen aufgefaßt hat, einen überrascht, indem es sich zurückfaltet auf eine Art, die der Hierarchie Gewalt antut. Das Element der Überraschung ist wichtig. Es ist der Grund, warum ich Seltsame Schleifen „seltsam“ nenne. Eine einfache Verwicklung bringt wie eine Rückkopplung keine Verletzungen von angenommenen Unterschieden zwischen den Ebenen mit sich. Ein Beispiel ist das folgende: Sie stehen unter der Dusche und waschen den linken Arm mit der rechten Hand und umgekehrt. An diesem Bild ist nichts Seltsames. Nicht umsonst entschloß sich Escher, Hände zu zeichnen, die Hände zeichnen.
Dinge wie das Waschen von Armen geschehen fortwährend, und wir schenken ihnen keine besondere
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