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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Beachtung. Ich sage Ihnen etwas, und dann sagen Sie Ihrerseits etwas zu mir. Paradox? Nein. Unsere Wahrnehmung der anderen hat von vornherein nichts mit Hierarchien zu tun; deshalb haben wir auch nicht das Gefühl des „Seltsamen“.
    Wo andererseits die Sprache tatsächlich Seltsame Schleifen erzeugt, geschieht das, wenn sie — direkt oder indirekt — über sich selbst spricht. Hier springt etwas im System heraus und wirkt auf das System ein, als wäre es außerhalb des Systems. Was uns Mühe macht, ist vielleicht ein ungewisses Gefühl, daß topologisch etwas nicht ganz stimmt. Der Unterschied zwischen Innen und Außen ist wie in der berühmten „Kleinschen Flasche“ verwischt. Obgleich das System eine Abstraktion ist, verwendet unser Geist räumliche Vorstellungen mit einer Art gedanklicher Topologie.
    Zurück zur Symbolverwicklung. Wenn wir nur sie ins Auge fassen und die Neuronen-Verwicklung vergessen, dann sehen wir vielleicht ein selbstprogrammiertes Objekt — in genau der gleichen Art, in der wir ein selbstgezeichnetes Bild sehen, wenn wir Zeichnen betrachten und irgendwie der Illusion verfallen, indem wir Eschers Existenz vergessen. Für das Bild ist das unwahrscheinlich — aber für Menschen und die Art, in der sie ihre geistige Tätigkeit betrachten, ist es das, was gewöhnlich geschieht. Wir empfinden uns als selbstprogrammiert. Ja, wir können gar nicht anders empfinden, denn wir sind abgeschirmt gegen die tiefere Stufe, die der neuralen Verwicklung. Unsere Gedanken scheinen in ihrem eigenen Raum umherzuwandern, wobei sie neue Gedanken erzeugen und alte modifizieren, und niemand bemerkt irgendwelche Neuronen, die uns weiterhelfen. Aber das ist zu erwarten. Wir können es eben nicht.
    Eine analoge Zweideutigkeit kann sich bei Lisp-Programmen einstellen, die so konstruiert sind, daß sie in ihr eigenes Inneres greifen und ihre Struktur verändern können. Betrachtet man sie auf der Lisp-Ebene, wird man sagen, daß sie sich selbst ändern, wenn man aber auf andere Ebenen umschaltet und Lisp-Programme als Daten für die Lisp-Interpreter ansieht (Kapitel X), dann ist in der Tat das einzige ablaufende Programm der Interpreter, und die vorgenommenen Änderungen sind lediglich Veränderungen von einzelnen Daten. Der Lisp-Interpreter selbst ist gegen Veränderungen abgeschirmt.
    Wie man derartig verwickelte Situationen beschreibt, hängt davon ab, wie weit man bei Beginn der Beschreibung zurücktritt. Tritt man weit genug zurück, kann man oft den Schlüssel entdecken, der einem gestattet, die Dinge zu entwickeln.
Seltsame Schleifen in der Staatsgewalt
    Ein faszinierendes Gebiet, in dem Hierarchien sich verwickeln, ist das der Staatsgewalt, besonders hinsichtlich der Rechtsprechung. Im allgemeinen denkt man an zwei Parteien, die ihren Fall dem Gericht vorlegen, und dieses entscheidet. Das Gericht steht auf einer höheren Stufe als die Kontrahenten. Seltsame Dinge können geschehen, wenn die Gerichte selbst sich in Rechtsfälle verstricken. Gewöhnlich gibt es einen höheren Gerichtshof, der außerhalb des Prozesses steht; sogar wenn zwei untergeordnete Gerichte sich in einen seltsamen Kampf verwickeln, in der jedes Gerichtsbarkeit über das andere beansprucht, gibt es ein höheres Gericht, und in einem gewissen Sinn ist es analog den unveränderlichen Interpretations-Konventionen, wie wir sie bei der verzerrten Schachversion besprochen haben.
    Was aber geschieht, wenn es keinen höheren Gerichtshof gibt, und wenn der Oberste Gerichtshof sich selbst in juristische Schwierigkeiten verstrickt? Verwirrungen dieser Art gab es in der „Watergate"-Affäre. Präsident Nixon drohte, nur einem „definitiven Urteil“ des Obersten Gerichtshofs zu gehorchen und beanspruchte dann das Recht, zu bestimmen, was „definitiv“ sei. Nun wurde diese Drohung nicht wahrgemacht; wäre sie aber ausgeführt worden, hätte sie eine monumentale Konfrontation zwischen zwei Ebenen der Staatsgewalt ausgelöst, von denen jede auf gewisse Weise mit Recht in Anspruch nehmen kann, „über“ der anderen zu stehen — und wer sollte entscheiden, welche im Recht ist? Sagt man „der Kongreß“, so löst das das Problem nicht, denn der Kongreß könnte dem Präsidenten befehlen, dem Obersten Gerichtshof zu gehorchen, doch der Präsident könnte sich dennoch weigern und behaupten, er habe das Recht, dem Obersten Gerichtshof (und dem Kongreß!) unter gewissen Umständen nicht zu gehorchen. Das wäre dann ein neuer Gerichtsfall und würde

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