Göring: Eine Karriere (German Edition)
Süden als dem Norden Deutschlands verbunden und hatte enge Bindungen zum Nachbarland. Als Kind hatte er viel Zeit auf dem Schloss seines Patenonkels in Mauterndorf verbracht. Überdies lebten in Österreich seine Schwestern Olga und Paula, die beide österreichische Anwälte geheiratet hatten. Über seine Schwäger Franz Rigele und Franz Ulrich Hueber hielt Göring engen Kontakt zu der nationalsozialistischen Bewegung jenseits der Grenze.
Aus seiner Überzeugung, dass Österreich als deutsches Land zum Reich gehöre, machte Göring keinen Hehl. Im Sommer 1937 sorgte er sogar für einen diplomatischen Zwischenfall, als er eine Gruppe österreichischer Industrieller damit begrüßte, dass das »deutsche Volk diesseits und jenseits der Grenze sich nicht nur in freundschaftlichen Formen finden« müsse, sondern auch »durch einen tatsächlichen Zusammenschluss«. Es sei »ein trauriger Ruhm, dass die österreichische Unabhängigkeit sich auf Bajonette stützt«, die dazu ausländisch seien und von denen man nicht wisse, ob sie im Ernstfall zur Verfügung stehen würden. Nur mit seinem anschließend ausgedrückten Bedauern über das angebliche »Missverständnis« konnte Göring die vorzeitige Abreise der Delegation verhindern. Aber auch so sorgte seine Äußerung für beträchtlichen Wirbel im Ausland und rief sogar die Kritik Hitlers hervor, da die »ausländischen Bajonette« ganz offensichtlich auf das Italien Mussolinis gemünzt waren, der trotz seiner Freundschaft mit Hitlerdeutschland an der Nordgrenze lieber ein unabhängiges Österreich als ein Großdeutsches Reich sehen wollte. In einem »Sondergespräch« pfiff Hitler Göring zurück. Keinesfalls wollte er den »Duce« verärgern.
Im Südosten werden wir noch das österreichische Problem bewältigen. Aber unsere Zukunft ist die Ostsee und der russische Raum. Lieber noch einmal zwei Millionen Männer im Kriege opfern und dann raumpolitisch endlich Luft haben.
Hitler, September 1937
Einige Monate später kam Hitler indes seinerseits auf einen gigantischen Expansionsplan zu sprechen, den er bereits in »Mein Kampf« entwickelt hatte und dessen Zeitpunkt zu verwirklichen er nun für gekommen hielt. Unzufrieden mit dem in seinen Augen nur schleppenden Fortgang der Aufrüstung, lud er am 7. November 1937 zu einer Geheimkonferenz in den Wintergarten der Neuen Reichskanzlei ein. Anwesend waren Außenminister von Neurath, Kriegsminister von Blomberg und die Oberbefehlshaber von Heer, Marine und Luftwaffe, Fritsch, Raeder und Göring. Er bitte die Runde, leitete Hitler seine Rede dramatisch ein, die folgenden »Ausführungen als seine testamentarischen Hinterlassenschaft für den Fall seines Ablebens anzusehen«. Wenn eine dauerhafte Sicherung, Erhaltung und Vermehrung der Volksmasse, fuhr er daraufhin fort, das höchste Ziel der deutschen Politik sein müsse, dann sei dies dauerhaft nur durch die Gewinnung neuen Lebensraums im Osten möglich. Freilich berge jede Expansion erhebliche Risiken, da der Angreifer stets auf den Besitzer stoße, doch lohne das Endziel – ein räumlich geschlossenes, autarkes und von einem festen »Rassekern« beherrschtes Großreich – jeden Einsatz. Am Beginn dieses Weges habe, bei günstiger Gelegenheit schon im nächsten Jahr, die Eroberung Österreichs und der Tschechoslowakei zu stehen. Spätestens bis 1943/45 müsse die gesamte Raumfrage gelöst sein, da sich danach die Verhältnisse nur noch zu Ungunsten Deutschlands entwickeln könnten. Allgemein gelte: Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur noch »den Weg der Gewalt« geben.
Seine Ausführungen lösten bei einem Teil der Anwesenden verblüfftes Entsetzen aus. Vehement warnten vor allem Blomberg, Neurath und Fritsch vor den Gefahren eines Krieges mit den Westmächten. Auch Raeder wies darauf hin, dass die Kriegsmarine noch keineswegs kriegsbereit sei. Nur Göring hielt sich auffällig zurück und beschränkte sich auf den Rat, zunächst die deutschen Operationen im Spanischen Bürgerkrieg zu beenden. Was auch immer er persönlich über die Pläne Hitlers denken mochte, eine entschiedene Gegenrede wagte er nicht. Instinktsicher und skrupellos registrierte er die tiefe Verstimmung, die die Einwände der anderen bei Hitler hinterließen, und die Chance, die sich daraus für seinen ungestillten Ehrgeiz ergab. Seit einiger Zeit hatte er begehrliche Blicke auf ein neues Amt geworfen. Er wollte, beobachtete Finanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk, »die Fülle seiner
Weitere Kostenlose Bücher