Göring: Eine Karriere (German Edition)
Ehren mit der Stellung des Kriegsministers krönen«. Jetzt, da Blomberg durch seine Widerrede Hitlers Unmut erregt hatte, witterte er die Gelegenheit, sich auf Blombergs Stuhl zu setzen und nach der Wirtschaft nun auch beim Militär den Ton anzugeben.
Blomberg selbst war es, der kurz darauf für die Gelegenheit sorgte, ihn ohne Widerstand und Angabe der wahren Gründe aus dem Amt zu drängen. Nach dem Tod seiner ersten Frau hatte der sechzigjährige Witwer sich frisch verliebt. Die Auserkorene, Erna Gruhn, war mit ihren 24 Jahren nicht einmal halb so alt wie der Bräutigam und doch, wie Blomberg selbst eingestehen musste, eine Frau mit einer gewissen Vergangenheit. Ratsuchend wandte sich Blomberg an Göring, der ihm versprach, seine Autorität einzusetzen, um der zu erwartenden Kritik vonseiten des Offizierskorps an der unstandesgemäßen Ehe die Spitze zu nehmen. Er erklärte sich zudem bereit, gemeinsam mit Hitler den Trauzeugen zu spielen und damit die Ehe mit höchsten Weihen zu versehen. Am 12. Januar 1938, Görings fünfundvierzigstem Geburtstag, fand die in aller Heimlichkeit vorbereitete Trauung hinter den verschlossenen Türen des Kriegsministeriums statt. Schon bald tauchten Gerüchte auf, die von einer Mesalliance sprachen. Wenige Tage nach der Hochzeit erschien der Berliner Polizeipräsident von Helldorf aufgeregt bei Göring. Er hatte eine Polizeiakte dabei, die belegte, dass die Frischvermählte einige Zeit als Prostituierte gearbeitet hatte und zudem schon einmal bestraft worden war, da sie für unzüchtige Nacktaufnahmen Modell gestanden hatte. Schnell machte die Nachricht die Runde, Blombergs Heirat geriet zum Sitten- und Politskandal. Voller Schadenfreude legte Göring die Akte samt Nacktfotos Hitler vor, der sich empört gab und seinerseits freute, den zaudernden Kriegsminister auf diese billige Art loszuwerden. Im Auftrag Hitlers fuhr Göring zu Blomberg und erklärte dem erschütterten Kriegsminister, dass seine Heirat die Ehre des Offizierskorps verletzt habe und sein Verbleiben im Amt unter diesen Umständen nicht mehr möglich sei.
»Der Weg der Gewalt«: Kriegsminister Blomberg (mit Marschallstab) sowie die Oberbefehlshabervon Luftwaffe, Heer und Marine, Göring, Fritsch und Raeder, während eines Empfangs bei Hitler
Die Rolle des Überbringers schlechter Nachrichten dürfte Göring nicht allzu schwer gefallen sein, rechnete er sich doch selbst beste Chancen aus, die Nachfolge Blombergs anzutreten. Wie eine Spinne wob der Aspirant zudem an einem Netz schmieriger Intrigen, in das sich sein Rivale, der Oberkommandierende des Heeres, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, verstricken sollte. Eine andere Polizeiakte, von Göring und Himmler eilig herbeigeschafft, beschuldigte Fritsch der Homosexualität – haltlose Vorwürfe, aber ausreichend, um Fritsch zum Rücktritt zu drängen. Der Drahtzieher schien obenauf, doch die Schmierenkomödie endete mit einer schallenden Ohrfeige für Göring. Am 4. Februar 1938 kürte Hitler sich selbst zum Oberbefehlshaber der Wehrmacht und setzte an die Stelle von Fritsch den gefügigen und blassen Walther von Brauchitsch. Einen Kriegsminister gab es fortan nicht mehr. Die administrativen Aufgaben des Ministeriums übernahm das »Oberkommando der Wehrmacht (OKW)«, welches Hitler unmittelbar seinem Befehl unterstellte. Den ämterhungrigen Luftwaffenchef speiste Hitler mit einem weiteren Titel ab: »Generalfeldmarschall«. Am 1. März 1938 notierte der deutsch-jüdische Romanist Victor Klemperer in sein Tagebuch: »Heute am Faschingsdienstag als Berliner Karnevalsfeier überreichte Hitler in großer Feierlichkeit Göring den Marschallsstab. Sie haben keinen Sinn für ihre eigene Komik.«
Mit Blomberg und Fritsch hatte sich Hitler dank Görings Hilfe einflussreicher Skeptiker am Kriegskurs entledigt. Mit ihnen ging auch der dritte Kritiker im Bunde, Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath, der durch den devoten Botschafter in London, Joachim von Ribbentrop, ersetzt wurde. Ihr Abgang war der Startschuss für eine neue, schärfere Gangart gegenüber Österreich. Durch Hitlers vorübergehende taktische Zurückhaltung in dieser Frage hatte sich Göring nicht irre machen lassen. Im Grundsatz wusste er sich mit Hitler einig, und seit der Geheimkonferenz im vergangenen November war ihm bekannt, dass Hitler noch viel weiter gehende Pläne hegte. Gebetsmühlenartig wiederholte Göring vor ausländischen Staatsgästen und Diplomaten, dass Österreich
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