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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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nicht aufhalten. Für die Alliierten öffnete sich damit das entscheidende Zeitfenster. Mit einer improvisierten »Mücken-Armada« aus Kriegsschiffen, Minensuchbooten, Yachten, Fischerbooten, Lastkähnen und Ausflugsdampfern wurden in wenigen Tagen mehr als 338 000 britische und französische Soldaten nach England evakuiert. Für den britischen Premierminister Churchill war dies in den bitteren Wochen der drohenden Niederlage ein erster Lichtblick, um durchzuhalten.
    Wir haben es geschafft. Die Luftwaffe vernichtet die Engländer am Strand. Ich habe Hitler überreden können, dass das Heer angehalten wird.
    Göring, Mai 1940
     
    Die Niederlage Frankreichs aber war besiegelt. Am Abend des 21. Juni 1940 unterzeichneten französische Unterhändler im Wald von Compiègne die Kapitulation. Um seine persönlichen Rachegelüste zu befriedigen, hatte Hitler bereits Wochen zuvor bestimmt, dass die Kapitulationsurkunde genau in jenem Waggon und an jenem Ort unterschrieben werden sollte, an dem 1918 eine deutsche Delegation die Entente um Waffenstillstand gebeten hatte. Göring gehörte zum illustren Kreis der Sieger, die auf persönliche Einladung Hitlers der Zeremonie beiwohnten. Der schnelle Sieg, den die deutsche Wehrmacht wider Erwarten erkämpft hatte, löschte bei ihm und vielen Generälen vorübergehend alle Skepsis aus, mit der sie bis dahin den Kriegsplänen Hitlers gegenübergestanden hatten. In der allgemeinen Euphorie erhob Göring seinen »Führer« zum »größten Feldherrn aller Zeiten« – ein ernst gemeinter Ehrentitel, den andere gerne aufnahmen und den der Volksmund bald zu »Gröfaz« verballhornte. Görings regimekritischer Bruder Albert machte daraus zynisch »Grövaz«, eine Abkürzung für »größter Verbrecher aller Zeiten«.
    Mit ihren pausenlosen und verlustreichen Einsätzen hatte Görings Luftwaffe entscheidend zum siegreichen Westfeldzug beigetragen. Hitler belohnte seinen Paladin fürstlich und ernannte ihn am 19. Juli zum »Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches« – ein ungewöhnlicher Titel. Wohl hatte das Heilige Römische Reich den »Reichsgeneralfeldmarschall« gekannt, doch für Görings höchstpersönlichen Ehrenrang gab es keine Tradition. Der neue Dienstgrad war einzigartig und sollte es auch sein. Als Reichsmarschall stand Göring fortan im Rang vor allen anderen Feldmarschällen, die Hitler nach dem Sieg über Frankreich ernannte, und blieb die Nummer zwei der Wehrmacht hinter Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber. Zum neuen Titel überreichte dieser Göring zudem das Großkreuz des Eisernen Kreuzes, die höchste Klasse des Eisernen Kreuzes und von 1813 bis 1945 der höchste deutsche Kriegsorden überhaupt. Zum illustren Kreis der Träger zählten Gebhard von Blücher, Helmuth von Moltke und Paul von Hindenburg. Bei der Ehrung Görings ging es um mehr als den Lohn für persönliche Leistungen. In wohl überlegtem staatspolitischem Kalkül stellte Hitler seinen Stellvertreter symbolisch an die Spitze der militärischen Hierarchie und verlieh ihm so die Aura der Unantastbarkeit. Bis Kriegsende blieb Göring der am höchsten ausgezeichnete deutsche Soldat. Wie stets war er auch diesmal sorgsam darauf bedacht, sein äußeres Erscheinungsbild der neuen Situation anzupassen. Viele Stunden verbrachte der frisch gekürte Reichsmarschall damit, seine Marschalluniform zu entwerfen und den passenden Stoff auszusuchen. Seine Wahl fiel auf ein elegantes Taubenblau. Da ihm das Großkreuz aus Eisen mit Silberrand nicht prächtig genug erschien, ließ er es bald durch ein kostbares Modell aus Onyx und Platin ersetzen. Noch einmal sonnte sich Göring im Glanz des Erfolgs und in der besonderen Gunst Hitlers.

     
    Links: »Illustrer Kreis der Sieger«: Göring, Heß und Hitler vor der Unterzeichnung des Waffen-stillstandsin Compiègne
    Rechts: »Einzigartiger Dienstgrad ohne Vorbild«: Der frisch gebackene Reichsmarschall präsentiert sich im vollen Ornat
     
    Unmittelbar nach der Unterzeichnung der Kapitulation fuhr Göring zum »Einkaufen« nach Paris. Im offenen Rolls-Royce ließ er sich durch die Hauptstadt chauffieren, auf dem Weg in die Museen, die so viele jener Kunstwerke beherbergten, für die es nach Görings Vorstellung keinen besseren Platz gab als die Wände im heimischen Carinhall. 1938 hatte er in üblicher Gigantomanie damit begonnen, seinen Herrensitz noch einmal auf das Doppelte zu erweitern. Jetzt, pünktlich zum Sieg, waren die Neubauten beendet. Der Mittelbau war im Süden

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