Göring: Eine Karriere (German Edition)
hielt er zu ihm durch dick und dünn.
Hans Thirring, Kinderfreund Görings
Der junge Göring war ein schwieriger, eigenwilliger Schüler. In den ersten vier Jahren besuchte er die Volksschule im fünfzig Kilometer entfernt gelegenen Fürth. Danach schickte ihn der Vater auf ein Internat nach Ansbach. Die Trennung von Familie und Burg führte beim elfjährigen Gymnasiasten zur offenen Rebellion. Er erwies sich als aufmüpfig, lernte schlecht und rückte ohne Erlaubnis aus der Schule aus, um nach Veldenstein zurückzukehren. Bereits nach einem Jahr mussten ihn die Eltern von der Schule nehmen. Mit Hilfe Epensteins, der über gute Beziehungen verfügte, brachten sie ihn in einer Kadettenanstalt in Karlsruhe unter. Hier war er noch weiter von Veldenstein entfernt, die Erziehung noch strenger, aber es ging dabei militärisch zu. Ziel der Anstalt war, zukünftige Berufsoffiziere heranzubilden. Die Kadetten trugen Uniform und galten als Soldaten. Exerzierstunden mit und ohne Gewehr, Reitund Fechtunterricht standen ebenso auf dem Stundenplan wie Deutsch, Geschichte, Mathematik und Physik. Glockenschläge trieben die Schüler zum »Dienst«, der Vor- und Nachmittage bis auf knappe Pausen ausfüllte und für Kinderspiele kaum Zeit und Raum ließ. Die Schule war zugleich Internat; nur am Wochenende bekamen die Schüler – bei gutem Betragen – einige Stunden Ausgang. In dieser militärischen Atmosphäre scheint sich der junge Hermann Göring von Anfang an wohl gefühlt zu haben; sie entsprach seiner Begeisterung für alles Militärische und nährte seine Hoffnung auf frühes Heldentum.
»Begeisterung für alles Militärische«: Göring als Kadett in Karlsruhe (Foto aus dem Jahr 1907)
Robust und selbstbewusst, wie er war, scheinen ihn die üblichen Rohheiten des Kadettenlebens, mit denen ältere Schüler die ihnen anvertrauten jüngeren »Schützlinge« abzurichten und nicht selten zu quälen pflegten, wenig angetan zu haben. Offenbar ohne Widerwillen ertrug er die strenge Schuldisziplin. Er bewährte sich und wechselte 1909 in die Königlich-Preußische Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde, die er im März 1911 als Fähnrich abschloss. In Latein, Französisch und Englisch erhielt er ein »Ziemlich gut«, in Planzeichnen und -lesen ein »Gut«, in Deutsch, Geschichte, Mathematik und Physik ein »Sehr gut« und ein »Vorzüglich« in Erdkunde. Gesamtergebnis: »Vorzüglich«. »Euer Hochwohlgeboren teile ich sehr ergebenst mit, dass Ihr Sohn Hermann das Fähnrichexamen mit dem Prädikat ›Vorzüglich‹ und dem Vermerk einer allerhöchsten Belobigung bestanden hat«, schrieb die Schule dem stolzen Vater. Für den achtzehnjährigen Musterkadetten scheint die anschließende Berufswahl eine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein: Er wollte Soldat werden. Sein exzellenter Abschluss verschaffte ihm eine Planstelle in einem Infanterieregiment. Mit Patent vom 22. Juni 1912 wurde er zum Leutnant befördert und erhielt im Januar 1914 einen Posten als Bataillonsadjutant im Regimentsstab des 4. Badischen Infanterieregiments Nr. 112 »Prinz Wilhelm«. Eine verheißungsvolle militärische Karriere lag vor ihm. »Wenn ein Krieg ausbricht«, erklärte er den Schwestern selbstbewusst, »werde ich dem Namen Göring bestimmt Ehre machen.«
»Göring war ein vorbildlicher Schüler. Er hat Eigenschaften entwickelt, mit denen er es zu etwas bringen wird. Er scheut sich nicht, ein Risiko einzugehen.«
Abschlusszeugnis Görings der Kadettenanstalt Karlsruhe, 1909
Schon bald erhielt er Gelegenheit, seine Ankündigung in die Tat umzusetzen. Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 erlebte er mit seinem Regiment im elsässischen Mülhausen, das damals zum Deutschen Reich gehörte. Hier nahm er an einigen kleineren Gefechten teil, aber schon nach wenigen Wochen im Einsatz erkrankte er an Gelenkrheumatismus und musste sich im September 1914 in einem Freiburger Krankenhaus behandeln lassen. Der nicht eben verheißungsvolle Anfang wurde zum Startpunkt einer steilen Karriere. In Freiburg lernte Göring den gleichaltrigen Leutnant Bruno Loerzer kennen, einen Heeresoffizier, der gerade eine Ausbildung zum Piloten bei der jungen kaiserlichen Fliegertruppe absolvierte und Göring für die Abenteuer der Lüfte begeisterte. Nach der 1938 erschienenen, autorisierten Biographie von Erich Gritzbach bewarb Göring sich als Flieger und flog – als seine Versetzung abgelehnt wurde – unbeirrt und auf eigene Faust als Flugbeobachter bei
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