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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Deutschen innerhalb kürzester Zeit die Luftherrschaft. Noch einmal konnte sich der Oberbefehlshaber der Luftwaffe des Wohlwollens seines »Führers« erfreuen. Geschickt nahm Hitler seinen Paladin erneut in die Pflicht. Am 29. Juni 1941 bestätigte er die Nachfolgeregelung von 1939 – ein Signal an die Öffentlichkeit, dass die politische und militärische Führung in voller Übereinstimmung handelten.
     
    Am 31. Juli 1941 um 18.15 Uhr betrat Reinhard Heydrich Görings Büro im Reichsluftfahrtministerium, um es exakt um 19.15 Uhr wieder zu verlassen: ein Akt der Bürokratie – die »Stunde Null« für das Schicksal der Juden Europas. Was Heydrich auf Görings Schreibtisch legte, war ein auf dessen Briefpapier vorbereiteter Entwurf zu »einer Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa«. Heydrich wollte freie Hand, um die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorbereitungen für die »Endlösung« einzuleiten. Zum ersten Mal überhaupt fand dieser Begriff in einem offiziellen Papier Verwendung. Der Holokaust, der mit den Morden der Einsatzgruppen im Osten seinen Anfang genommen hatte, sollte nun auf ganz Europa übergreifen. Göring zeichnete das Schriftstück ab. Fünf Jahre später würden ihn die Alliierten dafür zum Tode verurteilen. Die Vollmacht beförderte Heydrich zum obersten »Judenkommissar« für ganz Europa – er war verantwortlich für die Realisierung von Hitlers zweitem Hauptziel: der Vernichtung des europäischen Judentums. Zwei Wochen nachdem er Heydrich den Blankoscheck ausgestellt hatte, erklärte der Schreibtischtäter, »dass die Juden in den von Deutschland beherrschten Gebieten nichts mehr zu suchen« hätten. Göring wusste genau, dass an eine massenhafte Vertreibung inmitten des Krieges nicht zu denken war. Wohin hätte der Strom der heimatlos Gewordenen sich wenden sollen? Und er selbst hatte Befehle gegeben, den Besitz der Juden zu beschlagnahmen, und ihnen damit die Lebensgrundlage genommen. Von den beiden Alternativen Vertreibung oder Vernichtung, die er bereits im November 1938, in der Konferenz nach der »Kristallnacht«, als mögliche Lösung der »Judenfrage« angedeutet hatte, war jetzt endgültig die Entscheidung zugunsten der Vernichtung gefallen.

     
    »Alle erforderlichen Vorbereitungen für eine Endlösung der Judenfrage treffen«: Von Göring erhielt Heydrich den Blankoscheck zur Ermordung der europäischen Juden
    Was wusste Göring vom Massenmord in den Vernichtungslagern? »Es sind uns niemals Zahlen oder irgendetwas in der Richtung zugestellt worden«, redete er sich am 21. März 1946 in Nürnberg heraus. Belegt ist: Göring war über die Erschießungen im Rücken der deutschen Front informiert. Im Winter 1941 schickte er seinen Referenten Ernst Friedrich Scholer in die Ukraine, um entsprechende Vorwürfe, die zu ihm gedrungen waren, zu überprüfen. Als dieser mit Aufnahmen einer Massenerschießung zurückkehrte, verschloss Göring vor der unbequemen Wahrheit die Augen. Nur allzu gerne gab er sich mit der Erklärung zufrieden, »dass solche Dinge nicht wieder vorkämen«. Es spricht für sich, was Joseph Goebbels nach einem vierstündigen Gespräch mit Göring seinem Tagebuch anvertraute: »Göring ist sich vollkommen im Klaren darüber, was uns allen drohen würde, wenn wir in diesem Kriege schwach werden. Er macht sich darüber gar keine Illusionen. Vor allem in der Judenfrage sind wir ja so festgelegt, dass es für uns gar kein Entrinnen mehr gibt.« In Nürnberg behauptete der Angeklagte, über die »furchtbaren Vorfälle« in den Lagern nicht informiert gewesen zu sein und stets nur »die Verschiedenheit der Rassen betont« zu haben. Hartnäckig leugnete er den Massenmord. »Wie soll das denn praktisch möglich sein, zweieinhalb Millionen Menschen zu ermorden?«, fragte er im April 1946 Gustave Gilbert mit Unschuldsmiene. Der Psychologe wiederholte, was ihm der Lagerkommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, berichtet hatte, und dass Hitler den Massenmord befohlen habe. »Wie wäre es gewesen«, wollte Gilbert wissen, »wenn man den Mann, der den Massenmord befahl, umgebracht hätte?«
    »Oh, das ist leicht gesagt«, erwiderte Göring, »aber so etwas kann man nicht machen. Was für ein System wäre das, wenn jeder den Oberkommandierenden töten könnte, wenn ihm dessen Befehle nicht gefallen? In einem militärischen System muss es Gehorsam geben.«
     
    Den Judenmord verdrängte Göring. Nicht so ohne weiteres beiseite schieben

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