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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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konnte er die Tatsache, dass Ernst Udet, sein Fliegerkamerad aus dem Ersten Weltkrieg, als »Generalluftzeugmeister« versagt hatte. Der Druck auf den Reichsmarschall nahm zu, denn die Aufgaben der Luftwaffe wuchsen ständig, nicht aber die Kapazitäten der Flugzeugfabriken. Hitler winkte ungeduldig ab, als Göring auf den Befehl, die Luftwaffe solle Moskau und Leningrad ausschalten, zögernd reagierte. Die Luftwaffe sei ein feiger Haufen und habe bloß Angst vor der Leningrader Flak, warf ihm der Diktator vor. Ernst Udet, 1941 ein gebrochener Mann, war in seinen guten Jahren ein anderer gewesen. Richard Perlia, der in den zwanziger Jahren als Testpilot häufig mit Udet zusammentraf, erinnert sich noch heute gerne an diese Begegnungen: »Mit Udet zusammenzusein, das war eine unwahrscheinliche Freude. Der war ein richtiger Kumpel, war furchtbar nett, konnte wunderbare Karikaturen machen. Wenn ich abends mit ihm zusammengesessen habe, dann hat er auf Bierdeckel kleine Menschen gemalt. Er war ein äußerst sympathischer Mensch, der zu jedem Witz aufgelegt war, und ein sehr guter Unterhalter dazu.«

     

     
    Oben: »Steile Karriere als Kunstflieger und Filmstar«: Ernst Udet führt mit seiner Maschine eine akrobatische Flugnummer vor
    Unten: »Im Ministerium ging’s zuweilen drunter und drüber«: Erhard Milch (links) warf dem später zum »Generalluftzeugmeister« ernannten Udet Versagen vor
    Wie Göring stand auch Udet nach der Novemberrevolution 1918 vor den Trümmern seiner Fliegerkarriere. Doch dem charmanten, galanten Kriegshelden öffneten sich bald die Türen der Reichen und Mächtigen. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre gelang dem zumeist von Geldsorgen geplagten Lebenskünstler eine steile Karriere als Kunstflieger und Filmstar. Nach der nationalsozialistischen »Machtergreifung« brauchte Göring die Helden des Weltkriegs. Als Reichskommissar für Luftfahrt und zukünftiger Reichsluftfahrtminister begann er im Kreis der Pour-le-Mérite-Träger Leute anzuwerben. 1933 trat Udet in die NSDAP ein. Zwei Jahre später kam er im Rang eines Obersten zur Luftwaffe. Es folgte ein kometenhafter Aufstieg im Gefolge Görings, der Udet 1936 zum Leiter des Technischen Amtes im Reichsluftfahrtministerium ernannte. Schon damals ahnte dieser, dass es für ihn in die falsche Richtung ging: »Ich verstehe nichts von Großflugzeugen. Das ist nichts für mich, das liegt mir nicht.« Doch Göring zerstreute Udets Bedenken: Es komme nur auf seinen Einfallsreichtum an. Für die Büroarbeiten könne er so viele Leute haben, wie er wolle. »Wir brauchen vor allen Dingen vor der Welt deinen Namen. Der ist im Augenblick mehr wert als alles andere.«
    Als Leiter des Technischen Amtes trug der in organisatorischen Dingen völlig unbegabte Udet mit der Koordination der gesamten Flugzeugentwicklung und -produktion eine Zentnerlast. Sein Arbeitsplatz war nicht mehr der Pilotensessel, sondern der Schreibtischstuhl in Zimmer 201 des labyrinthischen Luftfahrtministeriums. Göring ließ sich in seinem Reich nur selten blicken. Mit Udet hatte er den Bock zum Gärtner gemacht, und wie Göring war auch Udet kaum in der Lage, über einen längeren Zeitraum konzentriert zu arbeiten. Führungsschwach und chaotisch, wurde er bald zum Spielball der unterschiedlichen Interessengruppen in der Luftrüstung. Eigentlicher Hausherr war der emsige Erhard Milch, seit 1933 für die Luftfahrt zuständiger Staatssekretär. Der ehrgeizige und zupackende Milch, vormaliges Vorstandsmitglied der Deutschen Lufthansa AG und glühender Hitlerverehrer, verfügte über genau jene Luftrüstungskompetenz, die Udet und Göring fehlte. Doch der Oberbefehlshaber war ängstlich auf den Erhalt seiner eigenen Machtposition bedacht. Milch, den er selbst ins Amt gedrängt hatte, war ihm mit der Zeit zu eigenständig, zu selbstbewusst geworden, daher benutzte er Udet als Trumpfkarte, die er immer wieder nach Belieben gegen Milch einsetzen konnte, um den Staatssekretär kurz zu halten. Es begann ein Spiel, das der labile Udet am Ende verlieren sollte. Am 1. Februar 1939 ernannte Göring seinen Fliegerkameraden zum Generalluftzeugmeister – ein Phantasietitel in Erinnerung an den Generalfeldzeugmeister im Ersten Weltkrieg. Udet schmeichelte der neue Rang. Die Kehrseite war, dass sich sein Verantwortungsbereich noch einmal exorbitant vergrößerte. Dem ehemaligen Kunstflieger unterstanden nun 26 Abteilungen mit 4000 Mann Personal. Er hatte Rüstungsbudgets in Millionenhöhe zu

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