Göring: Eine Karriere (German Edition)
die dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Karl Dönitz, für diesen Fall das Kommando im Nordraum zuwies. Im Süden sollte der Oberbefehlshaber West, Feldmarschall Albert Kesselring, das Kommando übernehmen.
»Die Lage ist zum Verzweifeln«: Keitel, Göring und Dönitz nach einer Kranzniederlegung zum »Heldengedenktag« in der Neuen Wache Berlin, 11. März 1945
Bis zum Vorabend hatte Hitler noch mit dem Gedanken gespielt, sich in sein Domizil auf dem Obersalzberg abzusetzen und von dort aus den Endkampf zu befehligen. Goebbels hatte ihm heftig abgeraten: Ein Mann von seiner Größe dürfe sich nicht in seinem Sommerhaus verkriechen. Nur in Berlin, auf das die Augen der Welt gerichtet seien, könne ein »moralischer Welterfolg« erzielt werden. Es war wohl dieser Hinweis, der den stets auf Wirkung bedachten Diktator überzeugte. Er sei mit sich über Nacht ins Reine gekommen und werde in der Hauptstadt bleiben, erklärte Hitler den Anwesenden. Als diese ihn nach einem kurzen Moment der Überraschung bestürmten, Berlin, »solange es noch ginge«, zu verlassen und den Kampf vom Obersalzberg weiterzuführen, wies Hitler alle Argumente und Bitten zurück. »Wie soll ich die Truppen zum entscheidenden Kampf um Berlin bewegen, wenn ich mich im gleichen Augenblick in Sicherheit bringe.« Albert Speer schien es, als wäre Hitler in diesem Augenblick von der Größe seiner Entscheidung, in Berlin auszuharren und sein Leben aufs Spiel zu setzen, selbst ergriffen gewesen.
Während des langen Vortrags saß Hermann Göring wie auf glühenden Kohlen. Der Reichsmarschall, laut Hitlers Erlass noch immer zweiter Mann im Staat, war entschlossen, die Stadt auf den immer schmaler werdenden Fluchtkorridoren so schnell wie möglich Richtung Süddeutschland zu verlassen. »Kaum war die Lagebesprechung beendet, die Generäle verabschiedet, als sich Göring verstört an Hitler wandte«, berichtete Albert Speer später die denkwürdige Abschiedsszene, »er habe in Süddeutschland dringendste Aufgaben zu erledigen, er müsse noch in der gleichen Nacht Berlin verlassen. Hitler sah ihn geistesabwesend an. Mit gleichgültigen Worten gab er Göring die Hand, ließ sich nicht anmerken, dass er ihn durchschaute. Ich stand wenige Schritte von beiden entfernt und hatte das Gefühl eines historischen Augenblicks: Die Führung des Reiches ging auseinander.«
Seinen Abgang aus der irrealen Bunkerwelt hatte Göring sorgfältig organisiert: Er selbst war reisefertig aus Carinhall zum »Führer«-Bunker gekommen, die Dienstwagen waren beladen und alle nötigen Anordnungen getroffen. Dennoch verzögerte sich die Ankunft des Reichsmarschalls im Luftwaffenhauptquartier Wildpark-Werder, von wo aus die Reise nach Süden nach einem kurzen Zwischenstopp weitergehen sollte. Immer wieder musste der Luftwaffenchef, der einst »Meier« hatte heißen wollen, wenn je ein feindliches Flugzeug in den deutschen Luftraum eindringen sollte, in den öffentlichen Luftschutzbunkern von Berlin Zuflucht nehmen. Seine joviale Popularität war noch in der Stunde des Untergangs spürbar: Selbst angesichts des totalen Scheiterns gab Göring sich leutselig und witzelte gegenüber zufälligen Bunker-Nachbarn über seinen viel zitierten »Meier«-Ausspruch. Noch unter dem Bombenhagel der Kriegsgegner schlug dem Chef der Luftwaffe eher Freundlichkeit als Hass entgegen. Man sandte sogar Boten aus den Nachbarbunkern, er möge auch dort vorbeikommen – und trotz aller Hast, der verglühenden Hauptstadt den Rücken zu kehren, nahm Göring sich die Zeit dazu. Umso eiliger hatte er es, nach einem kurzen Aufenthalt in Wildpark-Werder weiterzukommen. Um drei Uhr morgens hörte General Koller, der Generalstabschef der deutschen Luftwaffe, der nach dem Willen Hitlers anstelle von Göring in Berlin bleiben musste und in seinem Dienstgebäude auf eine Unterredung mit Göring wartete, Motorengedröhn: »In diesem Augenblick fährt Göring an der Spitze seiner Wagenkolonne in hohem Tempo an meinem Hause vorbei und durch das Tor bei der Hauptwache hinaus. Abgefahren ohne Aussprache und Abschied.«
Der Reichsmarschall [war] Ende 1944, Anfang 1945 – den Zeitpunkt kann ich nicht mehr genau sagen – in einem öffentlichen Luftschutzkeller ohne jegliche Begleitung oder Bewachung, unterhielt sich freundlich mit den Leuten und wurde mit seinem alten Ruf »Hermann, halt die Ohren steif!« begrüßt.
Bernd von Brauchitsch, Adjutant Görings, Aussage in Nürnberg
»In
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