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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Süddeutschland dringendste Aufgaben erledigen«: Während die ersten sowjetischen Panzer in die Vororte Berlins einrückten, zog sich Göring nach Bayern zurück
    Während die Rote Armee in die Vororte Berlins einrückte, erwartete Göring in seinem – für die eigenen Verhältnisse bescheidenen – Domizil auf dem Obersalzberg in sicherer Entfernung vom tobenden »Führer« das unaufhaltsame Ende des »Dritten Reichs«. Bereits 1933 hatte er sich dort oberhalb des »Berghofs« eine erste Bleibe errichten und später zu einem Landhaus ausbauen lassen. Sosehr er den Prunk liebte, in Hitlers Nachbarschaft legte Göring Bescheidenheit an den Tag. Er war klug genug gewesen, das Anwesen des »Führers« nicht übertrumpfen zu wollen und damit dessen ländliche Idylle zu stören. Polierte Decken, sparsame Farben, gut verarbeitetes Holz – alles war gediegen, insgesamt aber hätte sich Görings Landsitz in der »Großen Halle« von Carinhall unterbringen lassen. In dieser bürgerlichen Idylle richtete sich Göring ein, während er gespannt auf Nachrichten aus Berlin wartete. Noch immer hoffte er auf die Früchte seiner zwölfjährigen »Fronarbeit« als zweiter Mann des »Dritten Reichs«: einmal aus dem Schatten des »Führers« herauszutreten, einmal dessen Nachfolge zu übernehmen. »Versuchen Sie mal, zwölf Jahre Kronprinz zu spielen«, beklagte er sich ein Jahr später bei dem Gefängnispsychologen Gilbert, »immer dem König treu ergeben, mit vielen seiner politischen Aktionen nicht einverstanden, aber unfähig, etwas dagegen tun zu können, und dann das Beste aus der Situation machen zu müssen.«
    Am 22. April 1945 schien Görings Warten ein Ende zu haben. Im Bunker der Reichskanzlei verfiel der Diktator in Untergangsstimmung. Vergeblich hatte er in den letzten Tagen nach Armeen gerufen, die fast nur noch in seiner Einbildung existierten und die die belagerte Hauptstadt befreien sollten. Besondere Hoffnung hatte Hitler auf die 11. Panzerarmee unter dem General der Waffen-SS, Felix Steiner, gesetzt. Auf einen Truppenführer wie ihn, dem Goebbels noch im März 1945 einen »hervorragenden Eindruck« bescheinigte, glaubte sich Hitler eher verlassen zu können als auf die Generäle des Heeres, die er mehr und mehr der Untreue und des Verrats bezichtigte. Doch zum ersten Mal zögerte auch Steiner, einem »Führer«-Befehl Folge zu leisten. Mehrfach rief ihn Hitler an und verlangte von ihm, den Angriff so schnell wie möglich zu beginnen, doch nichts geschah. »Ich hatte ja nichts, womit ich hätte angreifen können«, begründete Steiner nach dem Krieg seine Untätigkeit. »Ich wollte nicht die Soldaten an ein Unternehmen verlieren, das von Anfang an zu einem vernichtenden Fehlschlag geworden wäre.« Als Hitler bei der Lagebesprechung am Nachmittag des 22. April erfuhr, dass Steiner noch immer nicht angegriffen habe, war es um seine Beherrschung geschehen. Er sprang auf, warf seine Stifte über den Kartentisch, tobte und brüllte. Am ganzen Körper zitternd, schrie er mit sich immer wieder überschlagender Stimme von Verrat und Feigheit, von Ungehorsam und Unfähigkeit. Waffen-SS und Wehrmacht hätten versagt, er stehe nun allein. Seit Jahren sei er von Verrätern umgeben, von Korruption, Schwächen und Lügen. Er fuchtelte mit den Fäusten, Tränen rannen ihm über die Wangen. Alle Anwesenden starrten stumm und peinlich berührt vor sich hin. Unter diesen Umständen könne er nicht mehr führen, lamentierte Hitler, seine Befehle würden nicht mehr befolgt, er wisse nicht weiter. »Der Krieg ist verloren«, schrie er, »aber wenn Sie, meine Herren, glauben, dass ich Berlin verlasse, irren Sie sich gewaltig! Eher jage ich mir eine Kugel durch den Kopf.« Ermattet sank er zusammen. Ebenso plötzlich, wie der Wutausbruch begonnen hatte, war er wieder vorüber. Erschöpft saß Hitler auf seinem Stuhl und jammerte: »Jetzt ist alles verloren. Es ist alles aus. Ich erschieße mich.«
    Minutenlang herrschte betroffenes Schweigen. Zum ersten Mal hatte Hitler zugegeben, dass der Krieg verloren war, erstmals offen davon gesprochen, sich umzubringen.
    Die Nachricht vom Zusammenbruch Hitlers verbreitete sich in Windeseile im Führungszirkel außerhalb der Reichskanzlei. Am Abend erfuhr auch der Generalstabschef der Luftwaffe, Koller, von den dramatischen Ereignissen im Bunker. Noch in der Nacht machte er sich mit einem Flugzeug auf den Weg nach Berchtesgaden, um Göring persönlich Bericht zu erstatten. Um die Mittagszeit des

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