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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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1803: »Sie haben also wohl zugenommen, Sind hübsch Corpulent geworden das freut mich, denn es ist ein Zeichen guter Gesundheit – und ist in unserer Familie üblich«. Das Körperliche sprach sie ohne Scheu an, auch in der Kunst. Die antiken Plastiken, die der Sohn sammelte, nannte sie respektlos »Nacktärsche«.
    Auf ihre Natürlichkeit hielt sie sich viel zugute, kokettierte auch ein wenig damit. Dem Schauspieler Großmann schrieb sie einmal: »Doch da mir Gott die Gnade gethan, daß meine Seele von Jugend auf keine Schnürbrust angekriegt hat, sondern daß Sie nach Hertzens lust hat wachsen und gedeihen, Ihre Äste weit ausbreiten können u.s.w. und nicht wie die Bäume in den langweiligen Zier Gärten zum Sonnenfächer ist verschnitten und verstümmelt worden; so fühle ich alles was wahr gut und brav ist«. Sie liebte das Theatermilieu, weil es dort ungezwungener zuging. Als sich das Haus am Hirschgraben nach Goethes Übersiedlung nach Weimar und dem Tod des Vaters zu leeren begann, zog sie das Schauspielervölkchen an sich. Mit einigen pflegte sie engeren Umgang, wechselte Briefe. Aber das dauerte nicht lang. Es war ein Kommen und Gehen. Aus dem Auge aus dem Sinn. Sie lebte wirklich im Augenblick und ließ sich vom Wandel der Zeit tragen. Diesen Willen zur Gegenwärtigkeit hat sie ihrem Sohn vererbt. Denn auch ihm war der Eigensinn des Augenblicks das Natürliche. Pflichtbewußtsein und Sorge um die Zukunft mußte er sich mühsam anerziehen. Hier war dann eher der Vater das Vorbild.
    So spontan und augenblicksbezogen die Mutter auch lebte, ihren Sohn ließ sie nie los; immerhin vermied sie es, ihm zur Last zu fallen. Sie hätte ihn gerne in Weimar besucht, doch Goethe lud sie nicht ein, außer einmal während der Revolutionskriege, als es für sie gefährlich werden konnte im umkämpften Frankfurt. Damals empfahl er ihr, nach Weimar zu kommen, traf auch schon Vorbereitungen. Sie aber hielt in Frankfurt aus, französisches Militär hatte sich schon einige Mal im Haus am Hirschgraben einquartiert. Diesen Kummer war sie gewohnt, konnte sich auch ganz gut arrangieren.
    Goethe hat sich nie direkt darüber geäußert, weshalb er die Mutter nicht in seiner Nähe haben wollte. Vielleicht befürchtete er, daß sie mit ihrer Natürlichkeit in der vornehmen und förmlichen Welt Weimars anecken könnte, und wollte sich und der Mutter diesen Verdruß ersparen. Andererseits, das wußte er auch, schätzte man sie in seinen Kreisen. Mit Anna Amalia zum Beispiel unterhielt sie einen herzlichen, fast ungestümen Briefwechsel.
    Wie auch immer, der Sohn wollte, nachdem er das Elternhaus verlassen hatte, die Mutter nicht mehr in der Nähe haben. Er wollte nicht mehr der »Hätschelhans« sein – so nannte sie ihn. Zwischen 1775 und 1808, ihrem Todesjahr, besuchte er sie nur viermal. Sie machte ihm deshalb keine Vorwürfe, doch Vertrauten gegenüber zeigte sie ihre Enttäuschung. Es waren Festtage für sie, wenn er da war. Der Bankier Abraham Mendelssohn, der Vater des Komponisten, begegnete den beiden im Jahr 1797 in der Nähe des Theaters. »Er führte seine Mutter, eine alte geschminkte prätensionsvolle Frau, nach der Komödie.«
    Der Sohn war der Liebling der Mutter, und er blieb es. In schneller Folge kamen noch fünf Geschwister zur Welt, von denen nur die anderthalb Jahre jüngere Cornelia das Erwachsenenalter erreichte. Sie und Wolfgang schlossen sich eng zusammen, eine heikle Beziehung, die bei Goethe bedeutende Spuren hinterlassen wird. Als Kind erlebte er, wie ihm nacheinander vier Geschwister starben. Nach dem Tode des siebenjährigen Hermann Jakob verwunderte sich die Mutter – so erzählte sie es Bettine –, daß Wolfgang »keine Träne vergoß«, vielmehr eine Art Ärger zeigt. Gefragt, ob er denn den Bruder nicht lieb gehabt hätte, lief er in seine Kammer und zog unter seinem Bett einen Stapel Papiere hervor, die mit Lektionen vollgeschrieben waren und erklärte, »daß er dies alles gemacht habe, um es dem Bruder zu lehren.«
    Den Bruder konnte er also nicht mehr belehren, die um ein Jahr jüngere Cornelia aber erhielt ihre Lektionen von ihm. Was er gelernt, gelesen oder sonst wie aufgeschnappt hatte, mußte er sogleich weitergeben. Durch Lehren lernen. Das blieb so bei ihm. Cornelia war eine willige Schülerin, die ihren Bruder bewunderte. Sie spielte auch mit bei den kleinen Theaterstücken, die Wolfgang mit Nachbarskindern arrangierte. Was es in früher Jugend zu erleben gab,
teilten und bestanden die

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