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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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leben, nur ein gewisser Tik ward auf die Länge beschwerlich. Er ließ nämlich alles was er zu tun vor hatte in einer Art Unbestimmtheit, wodurch er oft, ohne eigentlich bösen Willen, andere zu Schaden und Unlust brachte.
Tischbeins großes Goethe-Porträt in Öl (»Goethe in der Campagna«) wurde erst fertig, als die Freundschaft zwischen den beiden bereits getrübt war. Trotzdem fand Goethe Gefallen an dem Bild, das er mit nach Weimar nahm.
    Da war Karl Philipp Moritz, der sich als Autor des autobiographischen Romans »Anton Reiser« und als Herausgeber des »Magazins zur Erfahrungsseelenkunde« einen Namen gemacht hatte. Er hatte sich aus beengenden Verhältnissen hochgearbeitet und war, um einen lang gehegten Traum zu verwirklichen, zu Fuß nach Rom gewandert. Er war überglücklich zu hören, daß soeben auch Goethe in Rom angekommen sei. Er wagte es nicht, ihn aufzusuchen, doch in der deutschen Künstlerkolonie begegnete man sich, und es spann sich ein herzliches Verhältnis an. »Ich fühle mich durch seinen Umgang veredelt. Die schönsten Träume längst verfloßner Jahre gehn in Erfüllung«, schreibt Moritz an einen Freund. Moritz, der kurz zuvor den »Versuch einer deutschen Prosodie« veröffentlicht hatte, machte sich sogleich nützlich, indem er Goethe bei der Versbearbeitung der »Iphigenie« half. Ende November 1786 stürzte Moritz bei einem gemeinsamen Ausflug mit seinem Pferd und erlitt einen komplizierten Armbruch. Nun konnte Goethe ihm seine Dankbarkeit erweisen. Er organisierte eine Pflege für den Unglücklichen, teilte die Künstlerfreunde für Nachtwachen und Krankenbesuche ein, verbrachte auch selbst manche Stunde am Krankenlager. An Charlotte von Stein schrieb er darüber:
Moritz der an seinem Armbruch noch im Bette liegt, erzählte mir wenn ich bei ihm war Stücke aus Seinem Leben und ich erstaunte über die Ähnlichkeit mit dem Meinigen. Er ist wie ein jüngerer Bruder von mir, von derselben Art, nur da vom Schicksal verwahrlost und beschädigt, wo ich begünstigt und vorgezogen bin. Das macht mir einen sonderbaren Rückblick in mich selbst. Besonders da er mir zuletzt gestand, daß er durch seine Entfernung von Berlin eine Herzensfreundin betrübt.
    Nicht nur Moritz hatte mit seiner Reise nach Rom eine
Herzensfreundin betrübt
, auch Goethe hatte seine
Herzensfreundin
Charlotte sehr gekränkt. Drei Monate ließ er Charlotte ohne Nachricht, das für sie bestimmte Reisetagebuch brachte er verspätet auf den Weg. Sie konnte das lange Stillschweigen nach der heimlichen Abreise nur als Abbruch der Beziehung deuten und forderte in ihrer ersten Nachricht an ihn enttäuscht und verletzt ihre Briefe zurück. Goethe jedoch sah zunächst nicht im eigenen Verhalten den Grund für ihre schroffe und verbitterte Reaktion. Er schrieb ihr:
Das war also alles was du einem Freunde, einem Geliebten zu sagen hattest, der sich so lange nach einem guten Worte von dir sehnt. Der keinen Tag, ja keine Stunde gelebt hat, seit er dich verließ ohne an dich zu denken.
Er machte ihr Vorwürfe. Doch ein paar Tage später besann er sich:
Dein Zettelchen hat mich geschmerzt aber am meisten dadrum daß ich dir Schmerzen verursacht habe.
Inzwischen hatte sie einige Packen der Reisetagebücher empfangen (der größere Teil lang immer noch ungeöffnet im Haus am Frauenplan), und so war das Verhältnis einigermaßen wiederhergestellt – gleichwohl war dies der Beginn eines unheilbaren Bruchs zwischen den beiden. Charlotte schreibt ihm einen
bitter süßen Brief
, auf den er mit dem Wunsch antwortet, daß ihre Korrespondenz nun
nicht wieder unterbrochen werde solang wir leben
und daß solche
stockenden Zeiten
in ihrem Verhältnis
nie wieder kehren.
Er habe sich verändert, schreibt er, er sei
um vieles freier
geworden,
täglich werfe ich eine neue Schale ab
.
    In diesem Brief voller Versprechungen und Erwartungen in Bezug auf eine gemeinsame Zukunft schmiedet er auch Pläne für den weiteren Verlauf der Reise. Er würde, wenn man es in Weimar wünscht, bereits Ostern 1787 zurückzukehren. Am 3. Februar 1787 schreibt er an Herder:
Durch Rom hab ich mich durchgesehn und es ist Zeit daß ich eine Pause mache.
Er legt einen Katalog des Gesehenen an und der Dinge, die er noch in Rom zu sehen wünscht. Diese Rubrik wird immer umfangreicher, so vieles fällt ihm dazu ein. Wenn er wirklich Ostern wieder in Deutschland sein wollte, müßte er die verbleibenden Wochen in Rom verbringen. Doch er entscheidet sich für die Weiterreise

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