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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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Tag später:
Nun gute Nacht. Morgen Abend in Rom. Nachher hab ich nichts mehr zu wünschen als dich und die wenigen meinigen gesund wieder zu sehn.
    Dann endlich, am 29. Oktober 1786 die Ankunft in Rom:
Ich fange nun erst an zu leben, und verehre meinen Genius.
In der späteren Version der »Italienischen Reise« wird die Ankunft in Rom gemächlicher geschildert. Es ist nicht mehr jene beglückende Atemlosigkeit zu spüren wie in den Tagebuch-Briefen.
    Goethe war jetzt also in Rom angekommen, nachdem er zwei Anläufe genommen hatte, das erste Mal 1775, als er in den Süden aufbrach, aus Ärger darüber, daß die Kutsche nicht rechtzeitig eingetroffen war, die ihn nach Weimar bringen sollte. Man fing ihn dann doch ab und die Reise endete in Heidelberg. 1779 war es die Reise in die Schweiz, die Goethe am liebsten bis nach Rom ausgedehnt hätte, aber aus Rücksicht auf den Herzog dann doch unterließ. Diesmal nun hatte er es geschafft, und er fühlte sich wie ein Sieger.
    〈...〉
ich zähle einen zweiten Geburtstag, eine wahre Wiedergeburt von dem Tage da ich Rom betrat,
schreibt er am 2. Dezember an Charlotte, und nach zwei Monaten an den Herzog:
ich lebe eine neue Jugend
.
    Tatsächlich hatten die Lebensumstände in Rom etwas Studentisches. Goethe war bei dem ihm bekannten und von ihm geförderten Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein untergekommen, in einer geräumigen Wohnung am Corso, nur ein paar Schritte entfernt von der Porta del Popolo. Hauptmieter dieser Wohnung waren der ehemalige Kutscher Collina und seine Frau, die davon lebten, daß sie einige Zimmer untervermieteten. Zu den Untermietern zählten neben Tischbein noch zwei weitere junge deutsche Maler, Johann Georg Schütz und Friedrich Bury. Tischbein, der sich bereits einen Namen gemacht hatte, bewohnte allein drei Zimmer, von denen er eines, das kleinere Gästezimmer an Goethe abtrat. Goethe war also unter die Künstler geraten, die alle deutlich jünger und längst nicht so arriviert waren wie er. Schon die äußeren Umstände drängten ihn in eine jugendliche Rolle, die er aber gerne annahm. Es gibt eine Zeichnung von Tischbein, die Goethe zeigt, wie er lässig auf dem Stuhl wippend in einem Buch liest; eine andere Zeichnung stellt dar, wie er zusammen mit einem zweiten auf dem Sofa liegt und mit den Beinen strampelt. Man hatte einiges Vergnügen miteinander. Davon berichten die Briefe wenig, und noch weniger die spätere Darstellung in der »Italienischen Reise«. Hier ist Goethe um Seriosität bemüht, und die Schilderungen der Kunsterlebnisse nehmen kein Ende. Er nimmt sich auch wirklich vieles vor, ist ständig unterwegs und schaut sich an, was Volkmanns Kunstführer empfiehlt.
Seitdem ich in Rom bin
, schreibt er an Charlotte,
hab ich unermüdet alles sehenswürdige gesehen und meinen Geist recht damit überfüllt
. Manchmal entschlüpft ihm auch eine Bemerkung, die das Mühsame der Kunstbeflissenheit andeutet. So etwa gesteht er der Herzogin,
daß es nämlich bequemer und leichter sei die Natur als die Kunst zu beobachten und zu schätzen. Das geringste Produkt der Natur hat den Kreis seiner Vollkommenheit in sich und ich darf nur Augen haben um zu sehen
〈...〉
Ein Kunstwerk hingegen hat seine Vollkommenheit außer sich, das »Beste« in der Idee des Künstlers, die er selten oder nie erreicht
〈...〉
Es ist viel Tradition bei den Kunstwerken, die Naturwerke sind immer wie ein erstausgesprochnes Wort Gottes
.
    Mühsam ist vor allem die Aneignung der Tradition, also dessen, was man zuvor wissen sollte, ehe man es sieht. Es wäre alles viel einfacher, wenn man nur hinzusehen bräuchte und wenn sich alles im Anblick erschöpfte. In einem Brief an Karl August entfährt ihm auch der Seufzer: wenn man doch bloß nicht immer über Kunst reden müßte! 〈...〉
jelänger man Gegenstände betrachtet desto weniger getraut man sich etwas allgemeines darüber zu sagen. Man möchte lieber die Sache selbst mit allen ihren Teilen ausdrucken oder gar schweigen
. Stundenlang streift er umher, um die Werke der Kunst und Architektur zu beschauen. Er fühle sich wie ein Orest, schreibt er einmal, der zwar nicht von den Rachegöttinnen geplagt, dafür aber von den
Musen und Grazien
durch die Stadt gehetzt werde. Eigentliche Entdeckungen macht er dabei nicht. Er weiß ziemlich genau, was er sehen will und was man gesehen haben muß. Ihn beeindrucken Werke, die wohl jeder gebildete Besucher damals genannt haben würde: Die Fassade des Pantheon, der Apoll von

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