Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Belvedere, die Fresken Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle und die Kolossalbüste der Juno Ludovisi, von der er sich einen riesigen Gipsabdruck fertigen läßt und in seiner Stube aufstellt, seine
erste Liebschaft in Rom und nun besitz’ ich sie
.
Wenn Goethe nicht durch die Stadt ging oder mit seinen Künstlerfreunden zusammensaß, schrieb er in den ersten Wochen nach der Ankunft in Rom an der »Iphigenie«. Er wollte das Stück unbedingt abschließen. Es begann ihn zu bedrücken, er mußte sich von dieser
süßen Bürde
befreien, um sich ganz der wunderbaren Gegenwart der ewigen Stadt widmen zu können. Er wurde damit pünktlich zum Jahreswechsel 1786/87 fertig.
In diesen Wochen der Arbeit an der edlen, überaus reinen »Iphigenie« bändelte Goethe, wie Zapperi herangefunden hat, mit Costanza Roesler an, der Tochter eines römischen Gastwirtes mit deutschen Wurzeln. Es hat sich ein Zettel erhalten, den sie ihm geschrieben hatte (bzw. hat schreiben lassen), worin sie um einen Fächer bittet, den ihr der »teuerste Freund« doch bitte »sofort« besorgen möge. Dieser könne damit beweisen, »daß es auch andere und vielleicht noch schönere Fächer gibt« als jener andere, den sie zuvor geschenkt bekommen habe. Es wird etwas zwischen den beiden gewesen sein. Mehr aber weiß man nicht. Allerdings gibt es eine Zeichnung von Tischbein, die Goethe zeigt, wie er offenbar eilig ein zweites Kissen von seinem Bett entfernt; die rechte Bildhälfte wird von der riesigen Junobüste eingenommen, die streng über dem Ganzen wacht. Die Bildunterschrift lautet: »Das verfluchte zweite Küssen«. Es könnte sich hier um eine von Tischbein spöttisch registrierte Szene eines nicht zustande gekommenen Stelldicheins handeln. An den Herzog schrieb Goethe:
Die Zitellen (unverheuratete Mädchen) sind keuscher als irgendwo
〈...〉.
Denn entweder man soll sie heuraten oder sie verheuraten und wenn sie einen Mann haben, dann ist die Messe gesungen
. Costanza war vielleicht ein solcher Fall. Sie kam dem Filippo Möller zunächst entgegen, aber als sich keine Heiratsaussichten zeigten, zog sie sich zurück oder wurde von den Eltern zurückgezogen. Schon im Sommer 1787 jedenfalls war die hübsche Costanza (ein Bild von ihr hat sich erhalten) anderswo unter der Haube.
Es war also schwieriger als erhofft, mit Mädchen anzubändeln. Der Herzog, dem er davon berichtete, hatte ihm wohl die Maler-Modelle empfohlen, denn Goethe antwortete:
Die Mädchen oder vielmehr die jungen Frauen, die als Modelle sich bei den Malern einfinden, sind allerliebst mit unter und gefällig sich beschauen und genießen zu lassen. Es wäre auf diese Weise eine sehr bequeme Lust, wenn die französchen Einflüsse nicht auch dieses Paradies unsicher machten.
Die Angst vor Ansteckung mit der ›französischen Krankheit‹ wird dann auch in den »Römischen Elegien« eine Rolle spielen.
Schon beim ersten Aufenthalt in Rom von Anfang November 1786 bis Ende Februar 1787 knüpfte Goethe zahlreiche Freundschaften an. Da war die um wenige Jahre ältere Angelika Kauffmann, eine für ihre beeindruckende Produktivität berühmte Malerin, deren Bilder sich am klassizistischen Zeitgeschmack orientierten und ihr ein Vermögen einbrachten. Sie lebte mit ihrem italienischen Ehemann, ebenfalls einem Maler, seit einigen Jahren in Rom und konnte deshalb Goethe mit italienischen Künstlern bekannt machen. Als Goethe abreiste, schrieb sie ihm: »der tag Ihrer abreis war einer der traurigen tagen meines lebens«. Bei Angelika verbrachte er die Sonntage, in ihrer Kutsche wurden Ausflüge in die Gegend unternommen, ihr las er aus seinen Manuskripten vor, sie gab ihm Unterricht im Zeichnen. Sie malte ein Porträt von ihm, das ihr aber, nach dem Urteil Goethes, nicht sonderlich gut gelang.
Es ist immer ein hübscher Bursche, aber keine Spur von mir.
Da war Tischbein, der Wohnungsgenosse, der ihn auch nach Neapel begleitete. Über ihn schreibt Goethe in einem Brief an den Herzog:
So einen reinen, guten, und doch so klugen ausgebildeten Menschen hab ich kaum gesehen.
Als Tischbein später vom Vorhaben einer gemeinsamen Reise nach Sizilien zurücktrat, war Goethe verstimmt. Es störte ihn, wenn Menschen, die ihm wichtig waren, noch andere Verpflichtungen hatten. Tischbein hatte sich um Aufträge zu kümmern und war deshalb, anders als der finanziell wohlausgestattete Goethe, nicht immer Herr seiner Zeit. Immer noch verstimmt schrieb Goethe über Tischbein:
Es war sonst mit ihm gut
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