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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Lächelt der Mann, der das kindische Erstaunen begleitet? Um den grenzenlosen Blick auf die verglimmenden Trümmer der Tempel tief unten stand plötzlich der Strauß hochgelber Ruten des Ginsters. Weiße Lilien, zu Tausenden, ein Wald, leiteten aus diesem Golde links, der ungeheure Purpur von Pfingstrosen rechts zurück aufwärts nach der Bogenhalle an der Palastwand, die licht von der Höhe herableuchtete. In der Mitte zwischen diesen Gassen aber, immer wieder verschlungen vom unaufhörlichen Spiel des Grünen, jetzt eilend, jetzt zaudernd, kam eine helle Gestalt die Halde herabgeschwebt; mit einem Ruck blieb der Verzauberte stehen.
    »Meine Tochter!« stellte der Hausherr, mit steifer Verbeugung, vor: er hatte den Blitz, der zwischen den zwei Antlitzen aufgesprungen war, wohl bemerkt. »Es geht, kann man behaupten,« sagte er darum sogleich, »weder die Blüte noch die Frucht jemals aus in diesem Garten!« Im selben Augenblick schoß Blut in sein Gesicht. Er war ein besonnener Mann. Jetzt aber, ohne es zu wissen, stampfte er in den Boden. Wie, schien das Beben zu fluchen, – einen Diener sah er herabjagen, hörte er suchend herabrufen – es wird mir etwas aufgedrängt? Angehetzt? Und im Nu glomm der Funke des Mißtrauens auf in seinem Auge. »Frage die Mutter,« befahl er der Tochter, die wie aus uralter Zeit in vollendeter Jugend vor seiner männlichen Höhe stand, »ob das Abendmahl bereit steht.«
    Aber die Tochter lächelte nur. Um Verzeihung bittend, daß sie nicht gehorchen könne, lächelte sie. Und gehorchte nicht.
    »Du sollst,« wiederholte der Mann – wie um seinen Körper zu fühlen, tat er die Arme vom Leibe weg in die Luft hinaus – »zur Mutter emporgehen, um sie zu fragen –«
    Da, wie aus dem Gebüsch geschleudert, stand der Diener vor ihm. Ein würdiger, gallonierter, bartloser Alter. » Signor Cavaliere, « begann er, das Haupt tief gesenkt, » è arrivata notizia da Don Carlo  . . . .«
    »Einen Augenblick!« unterbrach, wie gerichtet, der Mann. Und trat aus dem Rasen. Ohne eine Sekunde zu zögern, flogen das Mädchen und der Fremde die Halde hinab auf die Fläche der Kiesel. Draußen vor der ungefährlichen Brandung, knapp umrissen mit Schnabel, Rumpf, Ruder und Mast, tanzte überm Anker ein Schiff. Verheißend rollte das Meer um das Holz. Verheißend vom Garten herab und von den Gärten der Nachbarn herüber, gemischt aus allen Hauchen der Heimatbotschaft, der Strom ihrer Düfte um den weithinschauenden Mann. Selig, mit großlächelndem Blick aber schickte der die Wogen und die Düfte hinaus an die Küste, die fern, aber gewiß, seiner wartete. »Bin ich nun wirklich . . . .?«
    »Sind Sie wirklich gekommen!« jauchzte das Mädchen und nahm seine träumende Hand.
    »Odysseus kam zu Nausikaa!« lächelte er leise und küßte die jauchzende Hand.
    »Der Penelope und Telemach zu Hause hat?« lachte sie übermütig, aber ohne die Angst zu verbergen, die das fragte.
    » . . . . ein ganzes Vaterland zu Hause hat, das auf ihn wartet!« erwiderte er, hoch neben ihrer Schönheit vor der Schönheit des Meeres.
    »Und dem Nausikaa die Heimkehr bereiten soll?« lachte sie noch einmal; noch einmal furchtsam.
    »Nicht bereiten! Besiegeln!« Und ein Blick, und obwohl er Odysseus war, der bei Nausikaa nicht bleiben durfte, – ach! nur weil er den Stern in ihrem Auge zugleich und gleich unwiderstehlich aufbrechen sah wie die Venus im Himmel, riß er sie an seine Brust. »Du! Wer bist du?«
    »Du! Wer bist du?«
    »Maria!« rief des Vaters Stimme schneidend vom Hause herab.
    »Wird Odysseus,« fragte zärtlich der Entrückte, während das Mädchen sich erlöst von ihm löste, »Odysseus, der ein Vaterland zu Hause hat, das auf ihn wartet, nicht verflucht werden von Nausikaa, weil er sie küßte als das erste Zeichen der Liebe nach den Höllen der Heimfahrt?«
    »Ich denke nicht nach,« flüsterte hingerissen die Selige. »Soll auch Odysseus nicht denken!«
    »Und du weißt noch immer nicht,« fragte oben im Saale, als sie unten im Kiese die Schritte vernahm, die Hausfrau den Gatten, »wie er heißt, was er ist und woher er kommt?«
    »Er ist ein Deutscher,« antwortete der Gemahl ungerne, »und scheinbar ein sonderlicher. Mehr zu fragen . . .« – da stand der Fremde in der Tür. Das ungeheure Gemach, das durch die ganze Breite des Palastes lief, war von sechs Säulen aus euböischem Marmor getragen, die zu je dreien zwischen den Fenstern jeder Langseite aufwuchsen. Nur die Kerzen der

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