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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Kandelaber auf der gedeckten Tafel erleuchteten den Raum. In weitem Spiegel aber glänzte der Terrazzo des Bodens. Tief in die Finsternisse der Wände hineingestellt, verschwanden Truhen, Kredenzen und Bänke; während Sessel, Thronen vergleichbar mit metallenen Lehnenbeschlägen, in funkelnden Reihen zu den Seiten der Marmortür standen.
    * * *
    Klein und unscheinbar erschien der Fremde, wie er, unter der erhabenen Höhe, neben der Jungfrau heranschritt. Einherschritt, den Blick wie gezogen durch die offenen Fenster auf die rauschende Ferne des Meeres gerichtet. »Hm«, machte in der Nische der Hausherr – er hatte die Hand im Barte – endlich, weil dies abwesende Schreiten nicht endete. Da kehrte der Blick des Fremden entschlossen zurück. »Ich habe,« sagte er langsam, würdevoll, nachdem er die zögernd gereichte Hand der Matrone ehrfürchtig geküßt hatte, »eigennützig, wie ich auf dieser Reise bin, die Gunst herausgefordert, in dieses erste Haus von Girgenti den Fuß setzen zu dürfen. Ich habe eine Mutter zu Hause, die jeden Gast, den ihr Sohn auf der Gasse aufliest, heiter empfängt. Nehmen Sie, bitte, den Gast, der dieser Sohn selber ist, gnädig auf – im Gedenken an seine Mutter!«
    »Hm«, machte der Hausherr in der Nische, »das war gut gesprochen!«
    »Ein Sohn muß niemals fürchten, abgewiesen zu werden,« antwortete mit raschem Lächeln die Hausfrau, »wenn er zu einer Mutter kommt im Gedenken an seine Mutter! Sieh nach, Maria,« – ihre Stirn war nun hell, im Gemüt keine Angst mehr – »ob Don Carlo etwa schon gekommen ist?«
    »Es ist das Lieblichste,« lächelte der Fremde und sah dabei unverhüllt zärtlich der Jungfrau nach, »auf einer Reise durch fremde Länder, die weit wegführt von allem Ererbten, Erworbenen und Angewöhnten und anzeigt, wie ohne Grenzen groß die Welt ist und wie sie Platz hat für jede Wahrheit und jeden Irrtum, immer wieder das feste Haus zu finden, das sichere Nest, von dem aus allein sie besessen und genossen werden kann!« Freudevoll lief der Blick über die freudig Getroffenen hin durch den Raum. »In einem Lande, das so weit entfernt ist von meinem Gestade, – allen Gestaden meiner bisherigen Fahrt – ein Haus der maßvollsten Schönheit zu finden, umgeben von Gärten und Sichten, die sich nicht wiederholen auf Erden, und darinnen ein würdiges Paar, eine seltene Tochter . . .«
    »Maria ist ein gutes Kind!« sagte der Hausherr, aufrecht im Dunkel nun und mit großem Ton.
    »Sie kam Ihnen entgegen,« lächelte errötend die Mutter, »wie einem Bekannten?«
    »Sie kennt mich.«
    Als ob der Blitz eingeschlagen hätte, fuhren die Alten empor. »Wieso? Seit wann? Wo – geschah es?«
    »Hinter Palermo. Vor etwa zwei Wochen.« Ja! Nur nieder, nur nieder ohne Versäumnis mit der heimlichen Mauer, die das Mädchen zwischen ihm und den Eltern aufgebaut hatte! »Unterhalb von Miracolo. Am Flüßchen Oreto.«
    »Sie hat uns,« flüsterten, nach ewiger Pause, mit einer einzigen todbangen Stimme die Alten, »kein Wort davon gesagt!«
    »Und es war abgemacht,« fragte nach dem zweiten, noch bangeren Schweigen mühsam gebändigt der Hausherr, »daß Sie hier . . .«
    »Ich schwor, daß ich, nach Girgenti gekommen, am Hause ihres Vaters anpochen würde.«
    »Sie ist noch ein Kind!« seufzte die Mutter; mit beherrschtem Schritt ging der Vater zwischen den Säulen auf und nieder. »Rasch und unerfahren.«
    »Und uns ferne!« setzte heiser der Schreitende hinzu.
    »Es ist das schwerste Los der Eltern,« begann ohne Scheu der Fremde und sah bittend zu beiden empor, »erst zu ahnen, und dann zu wissen: daß die Kinder ihre Geheimnisse haben. Aber das Recht der Kinder, diese Geheimnisse zu bewahren! Zürnen Sie doch dem Mädchen nicht, das mir gerade in der Sekunde, da ich zum erstenmal die Küste der Heimat aufdämmern sah aus den Nebeln der Irrfahrt, wie das Symbol dieser Küste erschienen ist! Sie hat mir wohlgetan! Unsäglich Gutes getan! Ist das Unrecht?«
    »Kinder hegen in ihren Geheimnissen gefährliche Träume!« fuhr der Hausherr rauh auf; es war nicht mehr zu verhindern, daß er das tiefste Geheimnis dieses Hauses vor dem Fremden enthüllte. »Und junge Männer, auch wenn sie mit der Frucht dieser Träume nichts zu schaffen haben wollen,– sie widerstehen doch nur selten der Verlockung, der Sinn dieser Träume zu sein!«
    »Und wenn ich auch widerstünde!« Hell stand der Fremde auf; wahrhaft strahlte sein Blick. »Wird ihr Traum, ihr Geheimnis darum

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