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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Kopf wachsen mußten, um von ihr nicht verschlungen zu werden im Einerlei ewiger Weitergeburt, wurden sie Heroen. Wo sie ihre Geheimnisse nicht lösten, Götter. Aber auch als Götter und Heroen blieben sie immer dasselbe, was die Menschen auch waren: Kinder dieser starken Natur! Ganz Griechenland nichts, als: Mutter und Kind unter der Wolke des Vaters, der die Zeit war, – Kronion.« Und hinreißend hell das Auge hineingetaucht in die erschrockene Miene des Führers: »Oder? Wie denken Sie?«
    Hilflos, mit der ganzen Ohnmacht seines winzigen Nestleins gegen den sonnhohen Adlerbau dieses Nestes, zuckte der Geistliche zusammen. Endlich, sie gingen, herabgestiegen, über den Platz vor dem Dome, raffte sich das verlegene Gestaltchen noch einmal zum Mut auf: »Möchten Sie nicht unsere Kirche, – wenigstens den Sarkophag in der Kirche besehen? Hippolyt zeigt er und Phaedra?«
    »Nein! Aber wie komme ich am schnellsten« – beide Hände des Mannes, dem die Nebel der Furcht herabrollten über die Augen, erfaßte er zum Abschied – »in die westliche Stadt?«
    Eine Minute später war er verschwunden. Und blieb es. Wo ging er? Was tat er? Besann er? Niemand wußte es. Er selber nicht. Als der Nachmittag Abend wurde, erhob er sich aus dem Gebüsch, das die Ruine des Junotempels umwuchs, und begann in die Stadt zurückzusteigen. Warum aber – immer wieder, wie ein Nachtwandler, der vergeblich zu erwachen sucht, blieb er stehen – schlug das Herz jetzt so rasend? Welcher Geist in ihm drin warnte atemlos: Du täuschest dich! Du bist in Girgenti! Der Maler und der Geistliche erwarten dich im Quartier des Nudelmachers! Und welcher andere in derselben Brust drinnen flüsterte unbändig verführend: laß dich nicht irre machen! Du bist erwartet! Es erwartet dich! Frage nicht, was »es« ist, du mußt es durchleben! Zu magischem Chor zusammen erklangen die Glocken des Doms, als er in der Gasse eintrat, die den Palast trug. Zögernd, in Absätzen, schritt er an den Palast heran. Plötzlich, mit knappem Schlag, ließ er den Pocher ans Tor fallen. Im nächsten Augenblick – oder war eine Ewigkeit seitdem vergangen? – wandelte er an der Seite des Hausherrn durch den Garten. Und nun ging der Puls ganz gemächlich. Ganz klar wußte er: Der Mann, der mich da, wenn auch freundlich, so doch zurückhaltend aufgenommen hat, ist ein reicher Landbesitzer und Händler meines Jahrhunderts. Die Matrone, die, auf Geheiß dieses Mannes, nicht in freudiger, sondern gebotener Gastfreundschaft im Hause oben die Tafel jetzt richtet, seine Gattin. Das Mädchen, das sich noch nicht hervorgewagt hat, seine Tochter. Mit einem Wort: ich bin in Sizilien! Aber – der Garten? Über der Blüte des Granatapfels glänzte das Blatt des Lorbeers. Über dem Feigenbaum mit hellgrün praller Frucht schwebte das ungeheure Alter des Ölbaums. Über dem Felsgang, unter Kaktus und Myrthe, wand sich die Wicke der Melone. Ein Wäldchen von Apfelbäumen ward aus unberührtem Rasen frei in die samtblaue Luft hinausgehoben. Hart zu seinen Füßen, auf niedriger, roterdiger Terrasse, wedelten die Palmen um das Spalier der glasgrünen Birnen. Ein Brunnen quoll im abschüssigen Moosgrund und rann, ohne Schaum, rasch hinab über unzählige ineinander verschlungene, verschiedengrüne Blätter in die Tiefe des Dickichts. Um seine ungegrenzte Feuchtigkeit, in ungehemmter Wildnis wuchsen: die Schwertlilie, die Aloe, die Riesenglockenblume, alle Gattungen der Rose, der Jasmin, die Narzisse, der Akelei und der Dornbusch. »Bin ich – bin ich wirklich in Sizilien?« Traumhaft geleitet schritt der Fuß. Betäubt, ohne Widerstand gehorchte das Auge der paradiesischen Lockung. Glücklich im Stolz reichte der Hausherr eine Handvoll Kirschen. Kurz darauf brach er, aus dem dunkelsten Versteck, die erste Feige. An einer Rebe, die ein Gitter allfarbiger Schleierblüten umgaukelte, hingen die reifen Trauben. Dicht daneben, an einem braungoldenen Stock, die vertrockneten des letzten Herbstes. In einem Felde von blauen Anemonen und halb schon verblühtem Thymian lagen scharlachrot, dick und schwer die Erdbeeren. Von den üppigen Zweigen eines weitausgebreiteten Baumes, der wollüstig in die Abendsicht des Meeres hinausragte, schaukelten die rostbraunen Schoten des Johannisbrotes. Unter zarten Kronen, aus deren Tüll die blaugrüne Mandel herabschaute, stand eine Steinbank. Auf ihr ein Teller aus Maulbeerblättern. Im Teller lagen gelbe japanische Mispeln. Und jetzt – noch weiter? Wohin?

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