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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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schwinden? O, ich begreife! Verstehe Sie gut! Nur zu gut! Aber –« Tapfer trat er vor, furchtsam abwehrend wichen die Bangen zurück. »Einmal lebt jede Kreatur ihren Traum! Ihr Geheimnis! Ob die Nächsten es wollen und wissen, oder nicht! Ohne je Flamme gewesen zu sein, die ausbricht und, ausgebrochen, brennt, bis sie ausgebrannt niedersinkt in den Rest dieses Brands, in den Rauch der Erfahrung, geht kein Leben zu Grabe! Wissen die Eltern das nicht?« Hart trat er den Zitternden unter die Augen. »Und wenn Sie es wissen: warum nicht den selbstsüchtig kleinlichen Willen entschlossen töten, der – gesehen vom Ende aus – doch nur vergeblich aufzuckt gegen die heiligste Begierde des Kindes, sich selbst zu erleben? Und ihm, weise, erlauben, lieber seinen ersten Traum zu vollenden, als den letzten? Denn, so gewiß, wie daß ich da stehe, ist das Eine: stirbt es am ersten, – dann, ebenso unabwendbar, nur mit der Folter der unzählig getöteten früheren, wäre es gestorben am letzten!«
    »Ja, so redet, wer nicht mitstirbt!« kam es erstickt aus der immer dämonischer umsponnenen Brust des Vaters. »Wer davongeht! Verschwindet!«
    »Und wenn ich verschwände?« Mit unerbittlicher Gewalt legte der Fremde beide Hände auf die Schultern des Vaters. »Was ist Glanz gegen Licht? Was, einmal erfahren zu haben: einem Zweiten verhalf ich zum Leben, gegen die Brosamenweisheit: neunzig Jahre werde ich rüstig vollenden, weil ich mich niemals bedingungslos hingab?« Und zum zweitenmal, weit, streckte er die Hände aus und noch voller von jauchzendem Mitgefühl für alle Kräfte des Wirkens klang seine Stimme. »Wenn sie entdeckt, – was sie nie sonst entdeckte! – daß dem Menschen kein Meer und keine fremde Zunge den Menschen versperrt, dem er – wie früher nur die Götter – zu helfen vermag? Die Wonne des Bewußtseins erfährt: daß da einer Jahrzehnt um Jahrzehnt ruhlos auslauerte nach dem Nest, das ihn zwingen soll, endlich zu werden, was er sein kann, und daß sie, sie allein ihm die himmlische Stunde des Findens verkörpert?«
    »Also – hat er schon gefunden?«
    »Aber, daß er gefunden hat, will er bewiesen sehen!«
    »Ich – versteh nicht!«
    Lächelnd mit dem reinsten Gesichte wandte der Fremde sich vom Mann weg zur reglosen Frau. »Lesen Sie nicht in den Gesichtern der Menschen? Und im Buche des Lebens? Können auch Sie nicht glauben, vertrauen, hoffen, – und verzichten, zu wissen, was nicht zu wissen ist?«
    Ohnmächtig, als ob ihnen das Buch des Lebens vor den Augen strotzte, darin sie niemals gelesen, schwiegen die Frau und der Mann.
    Und dennoch: was sie beschwiegen, war noch nicht das ganze Unheimliche, was, seitdem dieser Fremde da zwischen Tag und Nacht plötzlich zu reden begonnen, von den Wänden herab ihnen zufunkelte, aus den Schimmern des Terrazzo empor zumahnte und vom rauschenden Meer herauf zuflüsterte! Als ob ein Sturm sie aufrisse, tat sich die Tür auf. Und groß, wie sie bisher nicht gewachsen gewesen, in den Augen den vollen Wink des Schicksals, das ihr in einer einzigen Stunde die Herrschaft über dieses Haus verliehen hatte, kam die Tochter zurück. »Don Carlo kommt erst in einer Stunde, ließ er melden!« sagte sie, als ob die zwei Männer, die ihr demütig folgten, nicht auf der Welt wären. »Wir können zu Tisch gehen.« Auf fuhren die Eltern: was hieß das? Trotzdem: wirklich, zum erstenmal in diesem Hause, schritt man auf Geheiß der Tochter zu Tische. »Nein!« befahl sie unwiderstehlich – der Ältere von den zwei Mitgekommenen wollte an ihrer Seite Platz nehmen – »dieser Platz gehört unserem Gaste!« – »Ich warte,« fiel dieser schnell ein, ihn rührte das Entsetzen der Eltern, »auf den Befehl der Hausfrau.« Aber die Hausfrau vermochte nur mit halbgeöffnetem Munde ein halbverständliches Wort zu stammeln; hier war nichts mehr zu verbessern! Denn die Tochter, – diese Tochter sah, hörte und wußte von Vater und Mutter nichts mehr! Vom Hause nichts mehr, von seinen Freunden nichts mehr, von der strengen Gefügtheit der Sitte nichts mehr, die sie von Kindheit an wie ein Panzer geschnürt hatte. Es war ganz umsonst, daß Vater und Mutter immer errötender Blick auf Blick der Mahnung, der Bitte, des Tadels auf sie warfen; mit geflissentlich überfreundlichem Gespräche die zwei starren Freier zu täuschen trachteten. Sie sah, hörte und wußte nur noch den Fremden! »Maria,« brach endlich der Hausherr los, die Angst würgte ihm die Kehle, »Herr Prandini hat

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