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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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dich etwas gefragt!« Und in diesem Augenblick war das Unheimliche ganz da! Der Fremde, ehrerbietig, neigte sich der Matrone zu, lächelte unlesbar und sagte: »Herr Prandini und Herr Castro verdienen wahrlich die Freundschaft dieses Hauses! Ich suchte im Süden vergeblich solche Biederkeit männlicher Miene!« Aber die Verblüffung hierüber ward Schrecken, als er gleichmäßig fortfuhr: »Wie herrlich die Vielseitigkeit dieser Erde! Sie treibt Menschen hervor, die alle moralische Mühe dareinsetzen, die Begierde ihrer Person im Zaume zu halten, und solche, denen es wie nirgendwo anders so zum Recht wird, ihre volle Natur wie ihre größte Tugend frei auszuwirken!«
    Aber bevor noch die rund aufgerissenen Augen der Freier die ratlosen der Eltern um Hilfe anglotzten, hob schon die Tochter ihren Blick, der erstrahlte wie Morgen im ersten Pfeil Sonne, ergriff den Kelch mit dem Weine, näherte ihn, als ob keine andere Nähe mehr zwänge, dem Kelche des Fremden und rief: »Auf glückliche Heimkehr!« – »Auf die Geister dieses Hauses!« fügte der Fremde das Wort um; stand auf, stieß den Kelch an den Kelch der Matrone, des Hausherrn, – nun an den der Tochter, und trank ihn in einem Zug leer jetzt. Und nichts mehr in diesem Hause war fest nun! Alles Ererbte, Erworbene, Angewöhnte, wie unter der Axt eines unaufhaltsamen Arms stürzte es ein! »Er ist – ein Mann!« stieß der Vater wie betäubt zur Mutter hervor. »Er ist der erste Mann, den ich sehe!« nickte, gegen allen heftigen Willen, der bleischwere Kopf der Mutter. »Nein!« wollte der Vater noch einmal, krampfhaft, widersprechen; im selben Augenblick flüsterte seine gebissene Lippe bebend: »Er ist der Mann, den ich meiner Tochter geben möchte!« Und nun wußten sie's beide: er verzaubert auch uns!
    »Reiche, Maria, dem Herrn Commissario von den Datteln!« befahl der Vater verzweifelt; er wollte nicht nachgeben. Sogleich, mit spielender Hand, schob die Tochter einen Berg Datteln auf den Teller des grinsenden Kahlkopfs. Nun, damit auch er grinsen könne, einen Berg gedörrter Trauben auf den des Buchhalters mit dem roten Ziegenbarte. »Ist's genug?« Und gelähmt saßen die Eltern! Denn wie die Köpfe von Affen, von krampfhaft Allüre haltenden, mit aller Mühe ihre Begierde nach dem Mädchenfleisch und den Zechinen des Vaters bändigenden Tieren, stachen auf einmal die Schädel der Freier neben dem Antlitze des Fremden in die webende Kerzenleuchte auf. Wovon redete der Fremde? Von den Weizenbehältern, die er erst heute entdeckt habe. Von der Art, wie hier Puffbohnen gesetzt werden. Vom Feldbau um Sciacca. »Was heißt das?« riß der Magistratskommissär den wulstlippigen Mund mit den gelben Zähnen auf. »Ich habe den dreifachen Raubmörder Tolomei gefangen, heute!« – »Und ich,« hob der Buchhalter sofort die rothaarige Feuchthand an den Bart, grell flackerte das Auge, das schielte, »im Conto über den Seidenexport unseres Phalaris in Taormina, Signor Cavaliere, einen Fehler von, sag und schreibe: siebenundzwanzig Paoli entdeckt, heute!« Da hieb der Commissar die Faust in den Tisch. »Sie wissen wohl nicht,« griff er den Fremden an, dessen Miene immer heiterer ward, »daß in dieser Stadt Empedokles geherrscht hat?« – »Der in den Ätna gesprungen ist!« setzte protzig der Buchhalter dazu. – »Ich weiß nur,« lächelte der Fremde, inbrünstig beugte er sich dem dämmerblauen Strom zu, der vom rauschenden Meere heraufwallte, »daß ich Gott und Götter preise, diesen Abend erlebt zu haben!«
    »Das glaub ich!« Einen Rippenstoß unterm Damasttuch hatte der Commissar dem Buchhalter gegeben; gerüstet holte dieser aus: »Wenn man von Deutschland herabkommt!« – »Denn in Deutschland,« fiel der Commissar gewandt ein, »gibt es nur Schnee, Holzhäuser, Unwissenheit . . .« – »Und was es in Sizilien nicht gibt,« unterbrach ihn, daß die Wände widerhallten, der Terrazzo Musik gab und die Throne aufsangen, die Jungfrau: »Menschen!« Und riß mit blitzender Hand die roteste Rose aus der Vase in der Mitte der Tafel und steckte sie sich an den Busen.
    Schauer durch die Leiber der Eltern! Aber – warum schwoll dem Vater die Zornader nicht? Und lächelte stolz fast die Mutter? »Sie bleiben wohl noch einige Zeit hier im Lande?« neigte sich plötzlich der Hausherr – er zitterte – zum Fremden. –»Es wird notwendig, Signor Cavaliere,« warf sich der Buchhalter sofort dazwischen, »daß wir in den nächsten Tagen nach Taormina

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