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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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springende Quell nicht den Andern erschrecke. »Schenkende, Treibende! Besieglerin du meiner endlichen Heimfahrt! Hast mich zur Ernte gerufen! Nun, siehe: sie schießt in die Halme!«
    »Da haben wir's!«
    »Was?« fuhr er hoch aus dem zaubernden Schleier.
    Die Hand streckte Kniep aus. »Es regnet!«
    * * *
    Und wahrlich: am Abend floß der Regen schon beharrlich. Am nächsten Morgen goß er in Schwaden. Der Weg ward Morast. Die Maultiere keuchten. Die Reisenden troffen. Von den Bergrücken herab, um die immer dicker die Nebel wanderten, schaute über die hilflose Melancholie der Täler und Sättel nieder das gerippblasse Trümmerwerk des verlorenen Enna. Wie die Randglossen eines Pfuschers im Buche des Kosmos schwammen die bisherigen Bilder der Reise auf den Strömen des Nassen davon. Winkte nun überhaupt noch ganz Schönes? Hatte es Sinn gehabt, diese Reise zu tun? Den Geist des Odysseus aus dem Hades heraufzubeschwören, die Seele Nausikaas aus ihrem Schlummer zu reißen, und ein paar Meilen hinter den Gärten des Alkinoos das Hohngelächter eines sizilianischen Landregens in die Ohren zu kriegen?
    »Ich kann ja nicht mehr einen einzigen Strich zeichnen,« fluchte Kniep, »wenn das so weitergeht!« Sie hatten absitzen gemußt; platschnaß, zusammen mit dem platschnassen Führer, legten sie den Tieren die abgeglittenen Sättel neu auf.
    »Drum erfreue er sich eben,« neckte Goethe, im höchsten Sinn fröhlich, »des Regens!«
    »Ich hasse den Kerl!«
    »Ich liebe ihn!«
    »Gehen wir doch in das Hüttchen hinüber!« bettelte endlich – es rann in gar zu höhnischen Bächen auf Tiere, Herren und Diener herab – der Führer; das Hüttchen stand hundert Schritte abseits vom Weg in der Weide.
    Aber in der Hütte lag Stroh, das dampfte und stank.
    »Haben wir denn nichts mehr zu essen?« fragte nach der trübsamsten Weile der Maler.
    »Nein,« antwortete der bescheidene Führer. »Keinen Brosamen mehr!«
    »Einen Schluck zu trinken?«
    »Alles leer!«
    »Ja um des Himmels willen! Sollen wir auf dem Faulstroh da in der Dunkelheit grau werden und verrecken?«
    »Es ist völlig gerecht,« erwiderte Goethe, seelenvergnügt lag er im Stroh und lugte durch die Ritze im Hüttendach in die Sintflut hinaus, »daß wir einmal auch Ungunst leiden. Reise in die Wüste, Verwöhnter, wo dich nichts mehr schmückt, anreizt und anglänzt; und sieh zu, was du in der Armut noch besitzest!«
    »Ich besitze nichts,« stampfte Kniep wütend die Streumast, – er war aus den Fugen seit Girgenti – » completamente e semplicemente niente! «
    »Und das Zeichentalent?«
    »Ach, was!«
    »Und die geraden Glieder?«
    »Hat auch der Checco!«
    »Und Lydia?«
    Wie gestochen fuhr Kniep auf. »Ich werde es ihr beichten! Schnell, am ersten Tag noch!«
    »Was denn?«
    »Diese verdammte Marietta!«
    »Die in Catania Viola heißen wird, . . . .«
    »Zum Teufel hinein,« – rasend prügelte Kniep die Hüttenwand – »ja, es ist möglich! Ist möglich!«
    »Und in Taormina Teresina . . . ..«
    Vor Wut zu weinen begann Kniep.
    »Und in Messina Lucia!«
    Ein Büschel klatschnassen Strohs, unter dem fluchenden Tritt, flog an die Tür und blieb kleben daran. »Ja! Jaa! Jaaa! Aber was tun dagegen? Was denn? Nur sagen!«
    »Nichts!«
    Wie ein getretener Hund verkroch sich Kniep in den Winkel. »Freilich! Ich bin die arme Bestie,« tobte die beleidigte Seele, »und er die verwöhnte Berühmtheit, der die Welt ihre Harmonien auf dem Präsentierteller hinreicht!« Und dahin alle dankbare Freude an diesem gewaltig ruhenden Geiste, der um so heiterer genügsam war, je unaufhaltsamer er im Inneren arbeitete! Fremd war er ihm jetzt. Kalt und abstoßend. Häßlich. Wie er in der endlich erreichten Herberge sich gleich schmatzend gütlich tat! Wie er gemessen, just wie ein Bleisoldat, am nächsten Morgen wieder talaus ritt! Und dieses zufriedene Auge, das überall etwas zu schauen fand! Dieses absolute Wort, das nie hervorkam, bevor nicht ein greifbares Ding einen wägbaren Gedanken hervorzog! Dieser aufregungslos sichere Schritt, der in Afrika genau auch so schreiten würde wie in Europa! Und – die Faust in den Sattel! – diese verletzende Gleichgültigkeit gegenüber dem Nächsten! Als ob so ein Mann nicht den förderlichsten Einfluß üben könnte auf den anderen! Aber: übt er ihn? Gott behüte! Ein Fernrohr des Herrgotts ist er, mit dem klar und gewinnreich in jede Falte des Seins geschaut werden konnte. Aber: nur von ihm selber! »Na?« fragte er

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