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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Suchen Sie zuerst einmal die einfachste Form, auf die Ihre Person gebracht werden kann; und dann stürzen Sie sich gläubig hinaus in den Raum und die Zeit! Sie muß dann ganz von selber – nur gewaschen von den Wassern, gehämmert von den Feuern, gegerbt von den Lüften und verdichtet von den Erden – zurückkehren in die Herzgrube, zu der sie gehört wie der Baum zum Reich seiner Wurzel. Kam sie aber zurück, dann gibt es kein eigenes Weh mehr, das sich nicht lächerlich empfände gegenüber dem Gebot der Gemeinschaft, darin alles Erschaffene atmet und aufhört zu atmen!«
    War die Nachtigall, die da schlug, eine urheimatlich echte? »Und so weit soll auch ein kleiner deutscher Maler kommen können, der in die Dreißiger wuchs, ehe ihm der Knopf aufging?«
    »Ich bin nicht Sokrates!« lachte Goethe. »Und Sie nicht Platon! Aber ich werde Sie einen Dilettanten nennen, unerbittlich und noch bevor es heut Nacht wird, wenn Sie diesen Blick da nicht endlich in Linien fassen!«
    »Unmöglich!«
    »Schwer, gebe zu. Und der Abend schreitet vor. Aber« – fest stand er auf und schritt aus dem Fels – »um neun Uhr, pünktlich, erwarte ich das Blatt. Keine Widerrede! Er muß mir gehorchen!«
    Woher soviel Zuversicht, Kraft und Gewißheit? Aus welcher Quelle der Strom soviel verwegenen Glaubens? Was war Dichtung, was Wahrheit? »Lausche! Lausche! Lausche!« flüsterte er beschwörend sich zu, als er, herabgestiegen durch den Wald der Kakteen, blutend von tausend Dornen im Fleische und noch mehr in der Seele, die sich überhoben zu haben fürchtete, um einem Zweifler die Gnade der Aufrichtung zu spenden, in das Gärtchen trat, das, hart am Meere, über niedriger Mauer die Orangen dem einträchtigen Glanze von Wasser und Himmel hinzeigte. Und als ob unwiderbringlicher Verlust drohte, setzte er sich schnell auf den wagrechtesten Zweig des stärksten Baumes, lehnte den Rücken an den Stamm, zog das Portefeuille aus dem Rocke und begann zu kritzeln. Ohne Erstaunen, aber mit jedem Strich, den er tat, hilfreicher dienend sahen die Elemente ihm zu. Das Gras, in dem die Narzissen standen, verharrte ohne Bewegung. Die Bäume, halb noch von Früchten voll, halb auch von Blüten, hielten die schimmernden Blätter ängstlich stille. Auf den unregelmäßigen Kronensteinen der Mauern blieb ruhgebannt der letzte Strahl Sonne liegen. Die Stadt, die herüberschaute, löschte lächelnd ihr bestimmtes Antlitz. Die Linien der Gebirge warfen ohne Zaudern die Kennzeichen ab, die sie zu den Gebirgen von Taormina machten. Das Meer, immer allumfassender wogend, vergaß seine eindeutige Küste und rollte wie ohne Anfang und Ende. Er aber, der Mensch, in diesem wunderbaren Zerfließen der Dinge, die ihn ahnend umarmten, ins Urallgemeine, ward von Sekunde zu Sekunde gewisser. Wie gierig badend in seinem eigensten Elemente, nahm der Leib jeden schleierdünnsten Hauch auf, den die Dinge in dieser zauberhaften Verwandlung abwarfen, und fand, als ob er die Dinge beerbte, köstlicher als je bisher das Bewußtsein seiner selber. Mit der gleichen natürlichen Wollust aber lief die Seele stürmend wie in ihr bereitetes Reich hinein in den raumlosen und zeitlosen Bogen, den, je gehorsamer die gefesselte Gegenwart entfloh, die Möglichkeit allen Seins und Geschehens immer kühner aufspannte. Wie? Rief er Stimmen herauf aus dieser Metamorphose, oder riefen ihn Stimmen herauf aus dieser Metamorphose? Plötzlich – von woher? – erschollen Rufe, die kräftig befahlen und kräftig gehorchten. Unüberrascht schlug er den Blick auf. Draußen, im Gestade, rüsteten die Phäaken das Schiff. Hämmern. Sparrenfügen. Segelaufziehen. Wiegendes Holzbraun. Schimmerndes Mastlicht. Knatternde Leinwand. Bestätigend raschelte der Hain der Orangen: es ist wahr, es ist wahr! Ach! Hinwelkend wartet Penelope jetzt im Frauengemach über dem Teppich, den die treuen Finger seit Jahren immer noch weben. Telemach stummbeherrscht in der Sehnsucht nach dem Rächer, vor dem Zechen der betrunkenen Freier. Und wissen beide nicht, daß, während ihre Tränen wimmern und ihre Herzen verzweifeln, dies Braunholz unter schimmerndem Mastlicht und knatternder Leinwand schon die Flut stampft, die es morgen durchschneiden wird. Verwahrlost starrt die Väterburg. In der Qual ihrer Treue verrecken die Hunde. Die Herden frißt die Völlerei der Fresser. Die Saaten liegen in Unkraut. Schmutz und Hoffnungslosigkeit zernagt die gebrochenen Diener. Dieses Hämmern aber, dieses Sparrenfügen und

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