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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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ja, daß er ins Riesenstarke hinaufwächst gerade, wenn er hungert und dürstet! Und diese grausamste Not selbst dem Genie nicht ersparen, aber geduldig vertrauen: einmal wird es den Käfig sprengen und frei sein, und evangelisch darauf warten, weil man es mehr braucht als das tägliche Brot, – das ist Deutschland! Ist Geistland! Man sagte mir: er sei jetzt geflohen. Wandere jetzt in Italien. Suche sich jetzt. Bedenket, was das heißt: ein ganzes Vaterland, während er bei uns da sich suchen geht, wartet zu Hause auf ihn!« Und wie den Ertappten der Häscher jetzt, blitzschnell, rüttelte er den Fremdling aus der schaudernden Verhüllung. »Lügen Sie nicht! Und verleugnen Sie ihn nicht! Sie müssen ja doch wenigstens gehört haben von ihm!«
    »Oder« – rauh ließ er ihn aus, Totenstille war, Funken lohte sein Auge – »oder sind Sie er selber?«
    »Ja! Ich bin Goethe.«
    »Vater!« rief im selben Augenblick brennend die Jungfrau. »Es brennt!« Und hob die Hand von der felsernen Schulter des Fremdlings, riß eine der zwei blutroten Rosen vom Busen und steckte sie ihm an die Brust.
    »Um Gotteswillen! Was – ist?« Aufgefahren waren sie, der Hausherr, die Hausfrau, die Freier. Nun, mit Gliedern und Stimmen, die wie in den Netzen der Wunder umherirrten, ratlos jagten und fragten nach dem Sinn dieser Stunde, dem Rot dieser Rose, der starren Stummheit des Fremden, umringten sie das Paar und den Priester, drehten scheu wieder um, drängten von neuem vor, liefen an die Fenster, an die Türen, an die Wände, – kehrten plötzlich wie ein einziges bangdunkles Staunen zurück.
    »Als ob das nicht ein Jeder könnte,« stieß, während sich ganz Sizilien um ihn herum drehte, der Buchhalter hervor, »behaupten: er sei . . . er!«
    Wie eine Fledermaus, mit einem Zipfel des Mantels, scheuchte ihn Don Carlo vom Sessel. »Tommaso,« weckte er fordernd den Hausherrn, das Schwarz der Soutane aus Taffet und der Alabaster seines Antlitzes überstrahlten sieghaft die getrennten Sinnbilder im Bilde. »Deinem Hause ist Heil widerfahren! Verstehst du?« Da trat der Diener Gioachino von der blinkenden Schwelle herüber und meldete: »Signor Cavaliere, es brennt bei den Sagittari!« Hob den Fuß, um wieder zu gehen, – und es erklangen die Glocken vom Dome. Wie von Messern durchschnitten im Nu, sauste die samtblaue Luft vor den Fenstern. Strom des Überirdischen rieselte durch die Mauern des Gemaches. Schnell wie der Blitz folgte ihm der Schein, womit das Widerlicht des Feuers in den sehnsüchtigen Marmor der Wände hinein schnellte. Rufe. Stille. Wilde Rückkehr verzehnfachter Rufe. Schreie nun. Die Gasse voll plötzlich von Angstlaufen. Geheul und Wirbel des Staubs schien in den Saal herein zu stürzen. »Deinem Hause ist Heil widerfahren, Tommaso!« rief noch fordernder der Priester, während das Entsetzen Feuer, Glocken, Schrei, Rosen und Rauschen zu einem Strauße aus Wunder und Wahrheit zusammenwob; »denn er ist es!«
    Hilflos, weil er die Tochter wie eine Göttin aufwachsen sah im Unergründlichen neben dem reglosen Fremdling, beugte sich des Vaters Haupt nieder zur Mutter. Wie ehren? Wie lobpreisen nun, feiern und danksagen? schienen sich beide in süßer Ohnmacht zu fragen. Während die Köpfe der Freier wie die Grimassen ruhmlos Gestorbener in die furchtbare Mischung von Wahrheit und Wunder emporgrinsten, Don Carlo aber, herablächelnd aus der Tiefe seiner Ahnung, den Genius und die Jungfrau in ihrer verschwiegenen Zwiesprache segnete. Denn alle, ach, alle Leiden, von denen niemand wußte, daß er sie gelitten und leiden geheißen hatte, in Scharen schwebten sie, Engel und Teufel, vor dem unfragbaren Auge des Fremdlings hernieder; alle Fehler, Irrtümer und Sünden wider den Geist seiner Sendung, alle Verbrechen an den Seelen, die nicht wußten, daß sie nur vorüberziehende Diener dieser Sendung sein durften, und alle alleinausgefochtenen Kämpfe, Krämpfe und Niederlagen. Aber alle sie, all ihr Hemmendes, Tötendes, Schwarzes, Bemakelndes nahm, ohne einen Finger zu rühren, nun die Jungfrau von ihm, die immer glorreicher lächelte, je empfangender ihre Arme sich beugten; auf einmal so himmlisch lächelte, daß er die Augen aufschlug, aufsprang und erblickte: nieder von ihren demütigen Schultern floß als jauchzender Morgen die abgenommene Nacht. »Du!« flüsterte er in zitternder Bangnis, »muß ich auch das noch tragen: daß du mich erlösest, aber sterben wirst mit dem einzigen Glück: mich erlöst zu haben?« Da

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