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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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haßvoll, – ja, er haßte ihn jetzt! – als sie, Catania überwunden, Taormina näher rückten – »hat sie in Catania etwa Viola geheißen?«
    »Was ihr immerzu mit den Weibern habt?« lachte Goethe leichthin; er saß mit der jubelnden Morgensonne auf dem gern trabenden Esel; hoch, jung und geschmiedet. »Sagen Sie mir lieber: wie beschrieben Sie kurz die bisherige Reise?«
    »Ich habe sie da in meinen Blättern!« klopfte Kniep, schadenfreudig entschlossen, nicht ein einziges herzugeben, an die armselige Tasche, darin seine Zeichnungen saßen.
    »Prächtig! Kein Mensch kann alles allein machen. Nichts gibt es, was nicht ergänzt werden müßte. Ich, zum Beispiel, mache diese Reise als ein Trauerspiel. Ja! Lachen Sie nicht so verächtlich! Erster und zweiter Akt: Palermo. Dritter und vierter: Girgenti. Auf den fünften warte ich noch. Er muß sich spätestens zwischen Taormina und Messina ereignen!«
    »Also deshalb!« Als ob er von selber darauf gekommen wäre, protzig, lachte Kniep. »In Girgenti muß Ihnen etwas ganz Besonderes begegnet sein? Das dacht' ich mir lang schon!«
    »Sie Schlaumeier!«
    »Aber – was nur?«
    »Keine Marietta!«
    Daß der Esel in jämmerliches Heulen fiel, hieb ihm Kniep die Gerte in die Rippen. »Was Sie nur immerzu mit den Weibern haben! Ich habe das Luder schon lange vergessen!«
    »Das ziert Sie am meisten!«
    »Und ich kann nichts dafür!« schrie Kniep wie geschlagen und haute den Esel zum zweitenmal. »Was aber ist in Girgenti gewesen?«
    Aber erst am nächsten Abend, als sie einträchtig nebeneinander in der Ruine des Theaters von Taormina saßen, spann der unheimliche Proteus den Faden weiter. Friedevoll lief das Meer hinaus von der gegliederten Küste in die Abendwollust des östlichen Himmels. Innig leitete die Landzunge Schisò den klippigen Aufbau, mit dem die Hügel und Berge des Westens zur Weiße des Ätna emporstiegen, über in das beneidete Element ohne Stillstand. Die Stadt, mit hellen Mauern um die Orangengärten, stufte sich zärtlich hinab an die Ufer. Sehnsüchtig breiteten sich die Flanken des Theaters, goldenes und grünes Gebröckel, der unversehrt gebliebenen Welle entgegen. Und ebenso kindhaft flehten von ihren kahlen Höhen hernieder das Doppelkastell und die Riffe von Mola in das Weite und Fließende.
    Dieses aber, das Weite und Fließende, lächelte mütterlich. Gleichwie in der Erntemitte des Landherzens immer wieder die Mulde der Fruchtbarkeit zwischen sumpfigem Tal und verbranntem Hügel wie der Mutterschoß schaffender Liebe geatmet hatte, wogte dies Weite und Flüssige von Calabrien bis Syrakus im Anhauch und Abhauch des göttlichen Instinkts der liebevollen Hervorbringung, und getroffen von der Botschaft und getrieben antworteten die Nachtigallen, die Rosen, die Stadt, die Felsen, die Weiße des Ätna und der Rauch über der Weiße zurück: Ja, die Liebe! »Hören Sie's? Sehen Sie's?« fragte verklärt der Mann, dem Ruf und Gegenruf im Innersten der vorbereiteten Seele widerhallten, den anderen, der aus dem Zwiespiel der Bilder und Töne sich keinen Reim zu machen verstand. »Fühlen Sie's: was das eine Element von dem anderen verlangt?«
    Dumpf schüttelte Kniep den Kopf.
    »Haben Sie's innen im Lande auch nicht gespürt?«
    Ohnmächtig wandte Kniep den Blick weg.
    »Gaia und Uranos,« lächelte Goethe mit vollem Ton hinein ins erratene Zwiespiel, »Himmel und Erde, wo immer sie sich treffen, – und sie treffen sich immer wieder! – unfehlbar erzeugen sie vereint; müssen erzeugen! Aus der Hochzeit des Irdischen, dessen, was ist. und des Himmlisch-Ersehnten, dessen, was sein kann, sprießt die jeweilige Seele der jeweiligen Welt.« Wie ein Vater dem Kinde legte er Kniepen die Hand auf die Schulter. »Fühlen Sie's noch nicht?«
    Trostlos brauste Kniep auf. »Mir hat jenes Weib die ganze Reise verdorben!«
    »Ach, warum plaget ihr euch so?«
    »Und Sie nicht?« Wie das Gebell eines neidigen Hundes.
    »Jeder hat Fehler die Menge. Ich: Übermenge! Wenn ich aber, um den Kern meines Menschen zu finden, darauf warten müßte, bis ich alle besiegte, fände ich ihn niemals!«
    »Darum machen Sie – lieber gar nichts dagegen?«
    »Ich fange nicht beim Schlechten an, das ich trage, sondern beim Guten, das auch in mir ist. Vertraue darauf, daß der Mensch, der sich hinaufschrauben will, nicht gehalten sei, zuallererst seine bösen Triebe zu bekämpfen, sondern seine guten Anlagen auszubilden.«
    »Wenn er sie hat!«
    Blau wie das Meer, das vollendet

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