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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Bäume!« Zornig unterbrach Goethe. »Woraus erkennen Sie, daß das Bäume in Italien sind, zwei Stunden vor Rom, am Tiber, in der Zenithstunde eines Julitags? Nirgends!«
    »Man beginnt eben mit der simpeln Nachahmung.«
    »Übrigens« – nicht um die Welt hätte Moritz jetzt schweigen können –: »das Typische einer Landschaft bringt der Dichter viel besser heraus als der Maler.«
    Ratlos stutzte Goethe. Zu unentwirrbarem Knäuel verstrickten sich die aus allen Untiefen seiner Existenz aufschießenden, zielbang einander kreuzenden Gedanken. Wenn es das Letzte, was er erreichen konnte, war: nachgebildet zu haben? Freilich, war denn nicht auch das Typische nachbildbar, sobald es das Auge – der schauende Geist – in der einzelnen Erscheinung entdeckt hatte? Und mühte er sich nicht mit aller Inbrunst darum, durch das Zeichnen und Malen das den einzelnen Erscheinungen Gemeinsame – ihre Grundform, ihren Gesamtausdruck – zu enträtseln? Aber wieder: wozu quälte er damit sich und die anderen, wenn im voraus feststand, daß es Jahrzehnte der Übung bedurfte, um von der treffsichersten Nachahmung zur Darstellung des Typus zu gelangen? »Nein! Nein! Ihr plaget euch umsonst mit mir. Völlig umsonst!« stieß er, bleich bis in die Lippen, hervor. »Und ich mich erst recht!« Und mit hartem Griff zog er Meyern die drei Blätter aus den Händen, knüllte sie in der Faust zusammen und warf den Ballen in weitem Bogen von sich weg ins Gras. »Reden wir von etwas anderem! Rasch!«
    »Sie sind zu rasch, Herr Geheimerat!« Behende flog Meyer dem Ballen nach und brachte ihn zurück.
    »Aus den Augen damit!«
    »Sie müssen zeichnen und malen,« erklärte Meyer seelenruhig, indem er den Ballen entknetete, »weil Ihr Auge ein wilder Schauer ist. Ein ganz gieriges Schau-Tier. Ein Raubtier des Sehens. Aber weil Sie ein Hirn überm Auge sitzen haben, das viel weiter denkt, als das Auge mit dem Schauen gleich nachkommt, können Sie gerade in den Anfangsgründen nicht so sichere Fortschritte machen wie etwa der Maler, . . .«
    » . . . der dumm ist!« Vor Vergnügen im Grase wälzte sich Schütz. »Ja, es ist, wie ich sage: der Dichter spuckt Ihnen in die Palette! Es bedeutet nun eben keine Kleinigkeit, wenn ein ausgemachter Weiser in der Mitte seines Lebens Töpfe machen geht. Er weiß schon, bevor er beginnt, was ein Topf »an sich« ist, wie er zu Homeri Zeiten ausgeschaut hat, und in welch geringfügigem Verhältnis der Topf überhaupt, insonderheit aber der Topf, den er gerade machen will, zur Welt überhaupt steht. Schauen Sie mich dagegen an! Ich bin dumm. Unverdorben von Weisheit, Wissen, Denken und Fragen. Aber, mach ich ein Bild . . .«
    »Und, süßer Georg, wann machst du ein Bild?« lachte Bury hellauf.
    »Süßer Georg? – O Georg!« Und überwältigt noch einmal, und der vollen Länge nach, ließ sich Schütz in die blauviolette Blust des Klees zurückfallen. Und weit streckte er die Arme aus, so, als wollte er mit diesen sehnsuchtswilden Armen auffangen, an sich reißen und dann heiß an sich halten, was so berückend wunderschön in der Brust drinnen flehte. »Wenn ich mir denke, daß mir das Lieschen im Schwan vor Sachsenhausen »Georg! Süßer Georg! O, Georg!« nachgeflennt hat, als ich ihr roh und verstockt mit einer blaßblauen Busenschleife und sieben Talern Zechschuld davonlief! Und daß meine Mutter, . . . Herr Geheimerat!« Wie angeschossen sprang er auf. Und zum zweitenmal und noch unheimlicher durchbohrte sein Blick Goethens dunkelbleiches Antlitz. »Und wenn ich mir denke, daß jetzt, in dieser Minute, die Frau Rat Goethe in ihrem Hause am Hirschgraben die gebahnte Treppe in den Keller hinabsteigt, – ein Sonnenbächlein rinnt durch die festgeschlossenen Läden der Flurfenster in das Dielenholz nieder – und daß sie, nach einer Viertelstunde, mit einem Teller voll Erdbeeren zurücksteigt, nun schnauft sie ein bißchen, die Erdbeeren hat gestern abend die Textorische Babette hinten an der Mauer im Großvatergarten gebrockt, und die Frau Rat denkt: wenn der Hans jetzt bei seinem »Faust« oder »Tasso« diese teuflisch reifen Dinger schlucken . . .«
    »Schütz!« konnte Meyer gerade noch erschrocken rufen. Aber da hatte sich Goethe schon erhoben und ohne Wort, mit einem unzweideutigen Befehl, Bury mitgezogen.
    »Um Gotteswillen!« Entsetzt glotzte Schütz den Zweien nach, die wie auf einer Flucht hurtig zu schreiten begannen. »Hat er mir's übel genommen?«
    »Sie dürfen, bei allem

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