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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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ergibt er sich nicht.« Und im Nu schob er ein neues Blatt auf das Brettchen. »Ging's zum erstenmal nicht, geht's zum zweitenmal. Mutig!«
    Aber es ging auch zum zweitenmal nicht! Die Hände an den Schläfen, außer sich, sprang Goethe auf. »Sie segnet mich eben nicht! Sie mag nicht!« Und mit einem Satze war er hinter Schütz. »Dieser Meyer,« murmelte Schütz im Malen zufrieden vor sich hin, »nimmt die Angelegenheit zu ernst. Da stehen diese Bäume: graublaugrüne, von der Sonne goldversilberte – was lachen Sie? finden Sie einen besseren Ausdruck? – goldversilberte Rüstern mit zerklobenen Stämmen, in deren Höhlen Räuber Platz haben und Eulengeschlechter. Dahinter und davor dehnt sich die Weide, buckelauf, muldenab, auch goldversilbert, um die Bäume herum aber mystisch-schattig, – so etwa? Durch die Zweige hingegen und über den Kronen und rings um ihre Bögen flittert und flattert diese verdammte« – kokett bog er den Unterarm senkrecht gegen den Oberarm und schmierte ein unbestimmtes Glanzblau über das schon Gemalte – ». . . vermaledeite, unmalbare, römische Luft. Was?« Und mit Genießerblick zog er den Neidischen näher. »Einfach probiert ist's. Nicht lang nachdenken, ob rund oder halbrund oder spitzig oder eckig, sondern hinein in die Farbe und drauf losgepinselt! Wird's was, so wird's was; und wird's nichts, ist's auch kein Malheur. Nur Bewußtsein, und – Freiheit!«
    »Freiheit,« sagte Meyer trocken, »ist Schwindel beim Malen!«
    »An der Linie kleben,« erwiderte Schütz schlagfertig, »Pedanterie!«
    »Pedanterie aber« predigte Bury voll Salbung – er nahm eben den Sorakte von hinten – »ist Gewissenhaftigkeit. Seien Sie nur recht gewissenhaft, Herr Geheimerat!«
    »Moritzchen,« flüsterte Schütz, dieweil Goethe bereits in neuer Mühsal stumm-starrköpfig vor dem zuschauenden Meyer schwitzte, »Professorchen, sind Sie nicht durstig?« Ein schlaues Siegerlächeln stand um seinen Mund. Gewandt war er vom Mohnscharlach des Rains in die tiefere Lust violettblauen Klees niedergerollt., mitsamt seinem Ranzen. »Moritzchen?' lockte er noch einmal. Und wahrhaftig: auf allen Vieren, endlich, kroch Moritz ihm nahe. Er hatte den Rock abgetan; wie ein Affe sah er nun aus. Großknochig, schmalstirnig, mit Augen, die wie immer nicht wußten: sollten sie lüstern sein oder asketisch? »Jawohl,« – der Ranzen war offen – »jawohl,« rief Schütz gänzlich sorglos den Arbeitern hinüber, »es ist so und nicht anders! Die Natur ist die Natur, und bändigt man sie durch die Kunst, . . .«
    Da hörte das Schweigen ringsum, wie aus der fest angesetzten Flasche der Castellowein Schützens Gurgel hinabrann.
    » . . . und hat Glück dabei,« setzte er wonneschmunzelnd fort, »dann ist sie eben – wieder Natur.«
    »Schütz!« Wie von der Tarantel gestochen, fuhr Goethe von seinem Blatt zurück. Das Blatt blähte sich, er glühte von plötzlicher Flamme entzündet. »Schütz! Woher, wie, was war das?«
    »Der rechte Baum steht schief, Exzellenz!« erklärte Meyer, das Blatt zurückbiegend.
    »Schütz!« wiederholte Goethe unablenkbar, Blitz in den hungrigen Augen. »Noch einmal! Sag er das nocheinmal!«
    Aber Schütz wußte es nicht mehr. Beim besten Willen nicht mehr. Kraftlos langte er ein Brot mit Veronesersalami hervor, setzte nochmals den Fiasco an, und leerte ihn. Dann aß er bedächtig das Brot, sah stille zu, wie Goethe in bittersten Zweifeln sich über das Blatt zurückbeugte, hörte Meyern noch sagen: »in der Schattengegend kräftigeren Strich! Von links oben nach rechts unten! Und die Kronenbögen runder!«, setzte den zweiten Fiasco an, und ließ sich nun, als wäre alle Pflicht getan, der Tag erfüllt und nur noch fromm ergeben auf den morgigen zu warten, der Länge nach in den Klee fallen.
    Als er erwachte, sah er die vier anderen beim Mahle sitzen. Schweigsam. Mit den großen Augen dieses bedrückten Schweigens blickten sie ihn an. Verwundert, mit Mühe Besinnung suchend, stützte er den weinschweren Kopf in die Hände. »Wo – sind wir?«
    Aber keiner antwortete. Im Himmel über ihnen stand noch immer keine Wolke. Aber über die ganze Weite und Tiefe des Himmels, der das ungeheuer stumm gemachte Land in Wollust ohne Ende umarmt hielt, zog der Flügel des zittrigen Flimmerns, die Hummeln summten unsichtbar mit dem Flirren dieses Flügels, ein selig fürchtendes Rascheln trieb Halm an Halm, im Schilfe stöhnte klirrend das Rohr, die Goldsilberblätter der Rüstern

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