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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Gegenwind an alten Barken mit Kohlrabi und Petersilie vorbei, die Türme im Auge, und die Glocken im Ohr, und die Hand tief drunten in der strömenden Flut! Und an den Rhein dabei denken, der uns besser kennt als wir wissen, – auf einmal aber ans Ufer! Wo es hauslos und waldnah ist. Das Boot heraufgezogen, angebunden, und jetzt – Tannen! Moritzchen!« Kindhaft erschrocken schüttelte er den Mann, der da platt auf der Erde lag. »Ja, was ist denn? Du weinst ja?«
    »Hm,« machte Goethe vernehmlich; trotzig ward sein Gesicht, absichtlich hingebender legte er sich in die Umarmung des Jünglings.
    »Tannen! Was, Moritz?« Schamlos sehnsüchtig und aufreizend klang nun die heisere Stimme. »Moos, das nach Quelle riecht! Quelle, die nach tiefer, schwarzer Erde riecht! Farnkraut, das vom blauen Himmel blinkt, – und nun: Tannen, die rauschen im Winde!« Wild fuhr er auf, mit Dolchblick durchbohrte er Goethes dunkelbleiche Miene. »Eigentlich – sind wir Verräter am Vaterlande! Jawohl!«
    Meyer, als ob plötzlich die blaue Tafel des Züricher Sees vor seinen Augen erschiene, blinzelte und ließ Goethens Blatt sinken. Moritzens Leib im Boden, gepreßt von der Angst vor jeder weiteren Erinnerung, rührte sich nicht mehr, obwohl jeder Blutstropfen »Du!« schrie, »du, verratene Heimat!« Bury hingegen, in den Armen, die immer werbender, stachelnder umschlangen, – wie ein helles Schiff, das in froher Fahrt auf hoher See all seine Träume von Leben erfüllt sieht, weil die ewig bringende Woge um seinen Leib rauscht und die Winde aller Welt um seine Masten spielen, glänzte in der Vollust der erfüllten Sehnsucht. »Mein Vaterland,« stieß er überlaut wie ein ungebetener Bekenner heraus, »ist dort, wo ich mein Herz unterbringe. Denn die Seele braucht Speise. Ja Speise! Viel Speise! Immer neue Bilder, neue Plätze, neue Lüfte! Reich will sie sein, ganz tief atmen können und jeden Abend wissen dürfen: morgen ist noch ein Wunder zu holen. Höhepunkte! Abgrundtiefen! Das Leben ist nicht die tägliche Ration. Ich hungere mit Wollust im bangsten Heimweh, um mich morgen wieder in die Gipfel der Freude hineinzuspielen. Ihr seid Philister!«
    * * *
    Wortlos – ihm klopfte das Herz bis zum Halse empor – langte Goethe den Puls des heißen Jünglings heran. Ja, der erriet und verstand ihn! Und mit einer Qual, die das Auge biß, sah er die drei dilettantischen Blätter: die Mühle, noch einmal die Mühle, und die Gruppe der Rüstern in Meyers sanft lächelnden Händen. Ja, auch dieser ein Engel! Auch dieser erriet und verstand ihn! Und dennoch! »Du,« rief es drohend in seiner Brust drin, alle geheimsten Mahnungen sang das gepeitschte Gewissen empor ins Gehirn, »du! Wie nützest du deine Menschen aus?« Und bange verzog sich die Miene. Diesen Kampf: zwischen dem täglich hungernderen Ich, das sich bis in die Spitzen der Erlebnisse und Erkenntnisse hinanfressen mußte, und der Sehnsucht des Herzens nach gütigem Liebeswerk an den Menschen, die neben dieser Gier lebten, – diesen Kampf focht er nicht aus zu Rom! Heftig löste er sich von dem Jüngling. Hilflos umarmte der Blick die Gefährten. »Was werdet ihr denken von mir! Widersprecht nicht!« Aufgefahren verwundert waren sie alle. »Ich durchschaue euch alle!« Und alle, auch den Jüngling, der ja liebte und nichts Reicheres sehnte als diese Liebe, traf der entschleierte, fordernde Blick. »Ihr müßtet ja auf den Kopf gefallen sein, ärgertet ihr euch nicht über meinen störrischen Wahnsinn, euch den Pinsel abgucken zu wollen! euch zu kneten und zu treten und zu zwingen, Tag für Tag, damit meine blöde Hand euere Fertigkeit kriege. Ihr habt doch alles Recht darauf gehabt, zu erwarten, ich würde euch geben, wenn ich schon einmal mit euch gehe. Indessen bin ich wie der Vampyr über eueren Willen und schinde aus euch unbarmherzig heraus, was ich für eine vorübergehende Entwicklungsmanie brauche. Reden Sie nicht, Meyer! Ich verbiete gerade Ihnen . . . .«
    »Sie halten uns,« sagte aber schon Meyer, von Moritzens flammendem Auge gespornt, »für viel dummer, als wir sind. Und über Sie selber, wie Sie Menschen gegenüber wirken, haben Sie überhaupt kein Urteil. Diese letzte Skizze von den Bäumen« – mit messenden Fingern brachte er das Blatt zum zwanzigsten Mal in die richtige Entfernung vom Auge – »ist gut. Natürlich zeigt sie nicht Routine. Aber sie ist gefühlt. Und darum auch gekonnt! Der Charakter der Bäume . . . ..«
    »Der Charakter der

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