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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Ich halte es kaum mehr aus. Diesmal war der Scirocco mörderisch!« Da, umgedreht, erblickte er das Bild auf der Staffelei: Die Mutter der Gracchen zeigt ihrer Freundin die Söhne. Und in derselben Sekunde fiel der Wahnsinn auf ihn zurück. Ohneweiters begann er, in langsamen Sätzen, nach je reichlichem, bei runzeliger Stirn geleistetem Nachdenken, das Bild zu zergliedern; Vorwurf, Gruppierung, Gegensätze, Verhältnisse, Beziehung der einzelnen Charaktere zueinander, Zeichnung, Farbe, Führung des Pinsels. Genau so tiefernst und unparteiisch, wie es ihn Meyer vor den Bildern der Galerien gelehrt hatte. »Das Auge des älteren Sohnes – dieser soll wohl der ältere sein? – ist zu matt. Nicht? Auch dünkt mich, daß die Söhne die Absicht der Mutter wissen müssen. Sie sind nicht im Unklaren über ihre Tugend, und die Liebe der Mutter muß gerade dies Bewußtsein vom eigenen Wert gegenüber der behängten Eitelkeit dieser Lebedame herausfordern! Ob also nicht etwas mehr Salz in die Gesichter der Söhne getan werden sollte?«
    »Legen Sie doch keinen Maßstab an meine bescheidenen Versuche!«
    Unwillig fuhr er auf. Aber ihr englisches Lächeln entwaffnete. »Erzählen Sie , bitte!« lächelte sie innig, nahm ihn an der Hand und führte ihn die Stufen herab in den Raum. Auf dem Diwan, der zwischen der Kommode und der Truhe stand, ließ sie sich nieder. Er, weit von ihr weg, auf einem lehnenlosen, grausamtenen Sessel. »Es scheint mir nämlich,« wollte er gerade fortsetzen, – da, plötzlich wie Erdbeben, stieß Wind herein durch die Fenster über die Bilder, Skizzen und Modelle von Stoff, und in wildem Sturz rauschte der Regen nieder. Finster wurde es. Über dem fahlen Kamm des Janiculus, weit zurückgeschoben in die fliegende Bank schwefelgelber Wolken des Westens, standen rabenschwarz drei Zeilen von Pinien. Unwirklich aus den querbeschienenen Dächern des Borgo stieg die Kuppel von Sankt Peter, auch bleich, in die fallenden Schauerstreifen. Während die Halde des Monte Mario, da nun die Blitze zuckten und der Donner in toller Befreiungsfreude rollte, mit giftgrünen Rasen niederfloß in die grellen Steinformen des Campus Martius.
    »Erzählen Sie doch! Bitte! «
    »Erzählen?« Dennoch, das Auge ebenso wirr draußen im steigenden Tosen, im lüsternen Sichwiegen der Platanen, im Strome von Naß und Duft, der von der Vigna des Franziskanerklosters herüberschwang, wie herinnen im dunkelbunten Durcheinander der Dinge, erzählte er. Kniep habe exzellente Konture geschickt. Mit Meyern köstliche Stunden im Palazzo Farnese erlebt. Moritz – dies sei seine tiefste Befriedigung! – schreite unaufhaltsam fort. Seine rein schriftstellerische Tätigkeit wandle sich zuverlässig in exaktes, systematisches Bearbeiten von Kulturgedanken. Die »Altertümer Roms« würden ein Werk werden, das Tausenden von Deutschen Offenbarung brächte. Das Wesentliche an diesem Fortschritt aber sei: Rom habe ihn bewirkt! »Das Sehen. Das Schöne. Das Bedeutende. Ewige. Zu einem geringen Teile auch ich. Ich kann mit Moritz, möchte ich sagen, allgemein besprechen, was ich mit Meyern streng nur über die bildende Kunst verhandele. Er hat Teil an allem und ist eine Seele von einem Menschen. Ich darf, glaube ich, fast voraussagen: er wird nimmermehr fallen.« Möchte man, zum Beispiel, für möglich halten, daß ein Mann, der als ein Laie nach Rom kam, eine höchst bedeutende Abhandlung »über die Nachahmung des Schönen« liefert, nachdem er vor Monaten noch seinen »Versuch einer deutschen Prosodie« . . .«
    »Aber von Ihnen! Erzählen Sie doch lieber von Ihnen! «
    Lange, reglos, sah er sie an. Dann fuhr er unbewegt fort. Bury sei ihm ordentlich ans Herz gewachsen. Aber ob seine rohe Manier sich zu Stil entwickeln lassen werde? Er rasiere sich nun endlich, äße anständiger und habe jüngst, in der Kopie einer Sibylle, zum erstenmal zartere Töne gefunden. »Hoffen wir!« Schütz wieder sei ganz anders! Faul. Aber ihm sitze doch die Landschaft. Wenn er nur arbeitete! Aber da nütze kein Beten und Fluchen. Hingegen müsse man den jungen Dies ohne Einwand loben. »Nachdem ich vor Wochen aus der Erinnerung die Peterskuppel, wie sie dem von Norden herabsteigenden Wanderer ins Auge steigt, zu tuschen gewagt hatte, versuchte ich nun eine Landschaft zu imaginieren . . .«
    Falten erschienen auf seiner Stirn. »Das ist nun freilich das Quälende: Nur Naturnachahmung, oder auch freies Schaffen? Aus der Idee heraus?« Dies habe die

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