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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Freimut, den er uns einräumt,« antwortete Meyer verdrossen, »doch niemals vergessen, daß er schließlich eben doch der Goethe ist!«
    »Hab ich auch noch niemals getan! Aber dieses ewige Kunstgespräch, das Stroh drischt, leeres, taubes, unfruchtbares Stroh . . .«
    »So halten Sie doch wenigstens jetzt das Maul! Er hört's ja!«
    Er hörte nichts. Ging stumm neben Bury auf dem Wall des Tiberufers. Gierig, bei zusammengebissenen Zähnen, Rom näher. Ungeduldig ward der Sorakte umschritten. Endlich, aus der verebbenden Woge der Hügel, tauchte die Kuppel von Sankt Peter auf. Verschwand wieder. Rücksichtslos schob sich der Monte Mario vor den fernen Borgo und Trastevere. Aus der Mündung des Juliatals, vom Tiber begrenzt, der dort wellenruhig schimmerte, wuchs der Pincio hervor. Hinter seinen Gärten und Villen der Quirinalis. Ihm zur Seite der Viminalis. Diesem vorgerückt der Esquilinus. Dicht vor einem gleißenden Marmorband, das aus der Tiefe des Südostens, aus unklarem Gemisch von Flurblässe und verschimmernden Bauten heraufblickte und die Attika der Laterankirche sein mußte, stiegen die wilden Pinien der Farnesischen Gärten über die roten Trümmer des Tiberiuspalastes. Aber auch der Caelius dahinter und, rechts von ihm, der Aventin hoben sich aus der Glut, die mit hohen Kuppeln, Campanili, Glashauben und Obelisken den Brand der Stadt immer fanatischer schürte. Unvermittelt aufklaffend verschlang ein Hohlweg dies alles auf einmal. Kroch in dickem Staub zwischen klirrendem Grase und graugekalkten Blumenbüscheln eine scharfe Bodenwelle empor. Als ihr Kamm erreicht war, spannten sich über den Feuern der Stadt die Bögen der Sabiner- und Albanerberge, bog sich, wie Alpe so grünhell, hinab in die verrauchte Bläue der Velletrischen Täler die Kuppe des Cavo. »O! Nur Wunder! Nur Wunder!« stöhnte zerrissen die schweratmende Brust. Und alle Geschenke, die diese Stadt ihr seit einem Jahre dahingestreut, geheimnisvoll zahllos, ohne je zu ermüden und ärmer zu werden, traten wie zürnende Engel vor das verzweifelte Auge. »Oder siehst du nicht,« fragte peinvoll der Mund, »in diesen Himmeln fliegen wie Flügel völliger Freiheit die Universalität Lionardos? Aus der Flut dieses Firmamentes herabschauen das tragisch erhobene Gemüt Michelangelos? Alles, alles herabschauen und emporziehen, was hoch ist und groß ist? Aber auch menschlich, urmenschlich herabgrüßen wie in eine Wiege, die ewig wird erdgeheftet stehen bleiben unter der unsinnlichen Form dieser Himmel, die Stimmen von Dante, Petrarca, Ariosto und Tasso? Während aus der Erde empor lacht in diese seraphischen Himmel alle schmelzende Wollust des Leibes, alle Allmacht der körperlichen Gegenwart, der genossenen Stunde, so, daß sich zwischen oben und unten, in süßer Himmelsnähe ebenso wie in zärtlicher Nähe zur Erde vereinen diese beiden kreisenden Kräfte zum runden Strom menschlicher Sinnkraft? Sich wie nirgend anders so völlig vereinen, täglich enthüllender vereinen werden, – und sich schon vereinten, als, vor Jahren, die Mutter in den Keller hinabstieg, über die dumpf nachmittägige Treppe, in deren gebohnte Diele niederfloß ein Sonnenbächlein aus dem westlichen Flurfenster, um ihrem Hans, der da rasend oben im Giebelzimmer schrieb, die Erdbeeren zu holen, die Textors Babette am Abend vorher an der Südmauer des Großvatergartens gebrockt hat? Und ich, während all dies da stündlich sich aufspult und abspult, verzettele wie ein tändelndes Kind diese Tage niemals wiederkehrender Offenbarung . . . »Was ist denn? Was hast du?«
    »Ich habe,« lächelte Bury, »trotz meinen jungen Jahren schon manchen Blick in Menschenherzen tun dürfen. Und es auch immer für das Schönste gehalten, in dieses Allerinnerste eines anderen Lebens zu schauen. Jetzt, obwohl ich mir nicht klar genug darüber bin, ob es wahr ist, schaue ich in den Geist eines Menschen. Und kommt es mir auch nicht so beseligend vor, wie das wehe Spiel der Sehnsucht nach Liebe zu lesen, – denn das ist wohl das Herz! – noch geheimnisvoller erscheint mir doch diese zweite Schau: wie der Geist eines Menschen leidet!«
    Und das Vaterland wartet! zuckte es mit unzähligen verwundenden Blitzen in der atemlos hörenden Brust. Der Herzog erwartet mich. Charlotte erhofft mich. Fritz braucht mich. Meine alte Mutter ergibt sich ins Alleinsein. Nausikaa entsank mir. Tasso, Faust pochen wie Hamlets ehrlicher Maulwurf. Ich aber, wohin, ja wohin treibt es mich, zieht es mich

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