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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Rosenkranz vor, Giulietta!« hob sich aus diesem seltsamen Geschehen die Stimme des Vaters zur ältesten Tochter hinüber, die, wie abgezehrt vom Wachdienst bei der Leiche, auf einem Schemel hockte. »Beginne!«
    Aber das Weib hatte anderes vor. »Herr!« trat sie mit entschiedenem Schritt den Fremden an. »Möchten Sie nicht endlich sagen, wer Sie sind?«
    Er lächelte nur. Das Weib vor ihm tief Aug im Auge, lächelte er. Nahm das Kind auf seinen Schoß, bettete das Leiblein an seine wagemutige Brust, richtete den Blick klar in das Weib, in den Mann und in den Kranz der Kinder; und lächelte wieder. Und sagte: »Als meine Mutter, so, wie dieses arme Weib hier, auf dem Schragen lag, war es – fast so wie da. Es war in Deutschland, nicht in Rom. Dennoch: genau, ja fast haargenau so, wie da bei euch. Ich war ein Kind, wie etwa hier Regina. Ein unschuldiges Kind, wie hier Regina. Eine allein aber hatte das gewußt: die Mutter, die nun auf dem Schragen lag. Genau so wie dieses tote Weib da vor Regina. Mein Herz, vor diesem Schragen, vernichtet. Wie dieses Herzlein da, das ich so halte. Viele Jahre seitdem dahin. Aber« – und Feuerflamme jäh in seinen Augen – »was tut ein Kind, wenn ihm die Mutter stirbt? Die Einzige, die in ihm den Engel weiß?«
    »Nun,« fuhr er, nach einer Pause, in der die Stube angstvoll Mund aufriß, mit klarer Stimme fort, »und dennoch war das nicht das Ärgste! Das Ärgste war mein Vater. Ein guter, braver, rechtschaffener Mann. So – wie Ihr da.« Und freundlich wies er auf den Vater hin. »Ich glaube, daß er meine Mutter sehr geliebt hat; sehr stark gelitten hat darunter, daß ihm das Blut ganz anders in den Adern sang als ihr! Wer kann aus seiner Haut? Er mochte, zum Beispiel, den Wein gerne leiden. O,« – weil da das Auge des Vaters aufblitzend sich rechtfertigen wollte – »ich sage nichts! Wir alle sind arme Sünder. Richten darf man nicht! Aber auch das war nicht das Ärgste. Die Mutter war am Fieber gestorben, hatte der Arzt gesagt. Ich aber sagte: an etwas anderem. Im Hause wohnte auch eine blonde, schöne, auch gütige, – ja vielleicht sogar gute Frau.« Schamlos, ungetroffen vom Blick des Weibes, das scharlachrot geworden, stier zu glotzen anhob, lächelte er. »Ja! So, wie Sie da. Und an dieser Frau starb meine Mutter. Natürlich kann ich das nicht streng beweisen; ich empfand es nur, hatte es, sozusagen, – nicht fürchten, Regina!« Strahlend nahm er das Kindlein tiefer an sich, fühlte die kleine Brust in rasender Angst beben, fuhr mit süßen Fingern durch die todbangen Locken. ». . . sozusagen am Ausdruck, den die Tote so – um den Mund herum hatte, an den Händen, die so gebrochen auf der platten Brust lagen, erriet ich es. Und meine drum . . . .«
    »Herr!« stieß das Weib hervor; nun gab's kein Zögern mehr. Und polternd schritt es, dieweil der Mann wie gegen Nebel kämpfend sich auf dem schwanken Sessel niederließ, dem Fremden an den Leib. »Gebt mir das Kind herab und schaut, daß Ihr hinauskommt! Wird's?«
    »Wirklich?« In unbegreiflich schöner Ruhe, unverwundbar, lächelte der Fremde zum Mann hinüber. »Wirklich? Soll ich gehn?«
    » Parli pure! « hauchte, wie auf der Folterbank, der Mann.
    »Ich haßte diese Frau.« Mit einer Handbewegung, die so zornlos war, daß ihr nicht widerstanden werden konnte, schob sich der Fremde stark das Weib vom Leibe; weit weg. »Wir Kinder alle haßten sie. Das war natürlich ungerecht; sie liebte eben den Vater. Und es war auch nutzlos. Denn kein ganzes Jahr, nachdem die Mutter gestorben war, heiratete der Vater sie. Aber: eine halbe Stunde, nachdem die Mutter gestorben war, – es war eine Taberne in unserem Hause, im Erdgeschoß, und ich gehe gerade hinab zum Wirt, um Essig zum Waschen der Leiche zu holen, – da sehe ich . . . . . .«
    »Nicht! Nicht! Nicht!« schrie verzweifelt das Kind an seiner Brust auf, der Sessel, auf dem der Vater saß, knarrte, das Weib, mit sinnlos wilden Händen, riß den Asternkranz vom Fußende des Totenbetts und warf ihn mitten auf die Brust der Leiche.
    » . . . . . und da sehe ich,« fuhr er unerweichlich fort, »den Vater an der Schulter jener Frau lehnen; er war betrunken. Die Frau, wie sie ihn anlächelte! Wie ich verstand, daß er nicht widerstand! Nimmer widerstehen konnte! »Na?« lachte sie; sie war wahrhaftig schön in dieser Sünde und es sollte heißen: also wann? Er aber, der Vater, mit verglasten Augen schaute er sie an. Ich

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