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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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Tisch zurück, »wir wollen für Ton sorgen morgen früh. Sogleich! Nicht wahr?«

Neuntes Buch
    Gewißheit
    Ein klein wenig verstimmt fühlte sich Bury seit Wochen. Es war schon unnötig gewesen, daß Tischbein plötzlich von Neapel zurückkam und den Geliebten von ihm weg in den zweiten Stock hinauftrieb. Obwohl sich deutlich erkennen ließ, daß Tischbein kein Rivale mehr war! Dafür aber dieser Kayser! Warum Goethe den hatte herkommen lassen? Wie aufreizend vertraut er mit Goethen tat! Wenn die Zwei Frankfurterisch redeten! Schütz war doch auch Frankfurter? Dieser aber –? »Hab ich es Ihnen nicht schon dreimal gesagt, Sie sollen die Nase nicht zu hoch tragen?« rief er auf einmal Kaysern grob an, weil dieser auf dem steinigen Weg, den sie nebeneinander den Monte Cavo aufwärts stiegen, mit einem »Hoppla« gestolpert und mit einem zweiten der Länge nach hingefallen war. »Diese römischen Steige sind nicht so gemütlich wie die Kaimauern in Zürich! Stauben Sie sich ordentlich ab, er mag Dreck nicht leiden!«
    Einen eigentümlich umflorten Blick hatte Kayser. Als ob er nie ganz aus sich heraustreten könnte, war sein Mund, auch wenn er noch so hemmungslos pfiff, festgeschlossen, seine Stirn wie verhangen, sein Gang geradeaus gefesselt. »Mich kennt er schon lange,« sagte er ungerührt. »Im übrigen sind wir auf dem Lande.«
    »Mistvieh!« fluchte Bury im geheimen. Und ein empörter Blick zurück: Rocca di Papa im orangegelben Licht auf der felsigen Halde; Castelgandolfo tief unten, gegen die Sonne, überm stumpfblauen Albanersee. Ein zweiter, noch wilderer empor: Wald, braune Eichen, Kastanien mit giftgrünen, mit mattgoldnen, mit sterbenden Blättern; Ginsterbüsche, die raschelten; darüber der wolkenlose Dezemberhimmel. Aber: wo Er? »Sie pfeifen natürlich wieder Egmont!« stieß er verächtlich hervor.
    »Diesmal ist es Claudine von Villa Bella.«
    »Und das nächstemal Erwin und Elmire!«
    »Es wird eher die neue opera buffa sein, schätze ich.«
    »Spielerei! Ortvergeudung! Couplets und artige Liedchen für heruntergekommene Primadonnen kann man auch in Dripsdrill machen! Dazu braucht man wahrhaftig nicht nach Rom zu pilgern!«
    »Ich bin aber nun einmal Musikante?«
    »Aber muß drum auch er flugs einer werden?«
    »Wenn er mich ruft?«
    »Ich will Ihnen etwas sagen.« Einen Ligusterzweig, der ihm ins Gesicht hereingeflogen war, riß sich Bury von den Lippen weg; wie die Perlen eines aufgegangenen Rosenkranzes rollten die schwarzen Beeren den steilen Weg herab. »Wir haben schon die allergrößte Mühe gehabt, ihn dem Labyrinth zu entreißen, in das ihn die verfluchte Malerei und Bildhauerei hineingetrieben haben. Ging's nämlich mit dem Zeichnen gar nicht mehr, dann modellierte er. Ging's mit dem Modellieren noch weniger, dann fing er wieder zu zeichnen an. Erst in den letzten Wochen, bevor Sie ankamen, hatten wir das Gefühl: endlich ist er heraußen!«
    »Woraus heraußen?«
    »Aber zum Teufel!« schrie Bury. »Er ist doch kein Anstreicher und kein Steinmetz, sondern ein Dichter!«
    »Und pinselt und bosselt trotzdem noch alleweil weiter? Scheint mir.«
    »Falkenauge, Sie! Scheint Ihnen? Ja! Leider haben wir uns getäuscht. Aber sehen Sie nicht ein, daß, wenn nun Sie ihn erst noch in die Musik hineinhetzen, er überhaupt nicht mehr zum Verstand kommen kann?«
    »Merkwürdig!« Allfarben angemalt vom grüngelbrotbraunen Walde, in dem, weit voran wahrscheinlich, Goethe wandeln mußte, lachte Kayser den Zornigen an. »Und da sagte er mir vor ein paar Tagen noch: der Idee nach versteht mich in Rom da am besten . . .«
    »Wer?«
    »Moritz. Meinem Kunstwillen nach: Meyer. Mein Daimonion aber – ohne Zweifel – nur Bury!«
    »Wann sagte er das?«
    »Vor ein paar Tagen. Und nun sehe ich . . . .«
    »Gar nichts sehen Sie!« Im vollen Strahl rasch getrösteter Liebe lief Burys Auge von Kaysern über Wald, Himmel, fernes Meerglänzen und das orangegelbe Rocca di Papa zu Kaysern zurück. Dieser Mensch war also doch nicht ein Dieb? »Ich liebe ihn nämlich. Liebe ihn einfach, müssen Sie wissen! Lasse mich rädern und kreuzigen für ihn! Kann ihm natürlich nicht das Wasser reichen; bin ein Wicht gegen ihn! Aber soviel begreife doch auch ich, . . .«
    »Da, schauen Sie! Die Peterskuppel!«
    Aber Bury ließ nur die Locken wehen. ». . . daß auch ein Dichtergenie wie er nicht soviel Zeit hat, um ganze Jahre zu vergeuden. Wissen Sie, was er gedichtet hat, seitdem er da ist? Soviel wie nichts.

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