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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Koestering
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glaube, sie würde sich freuen, wenn ihr mitkommt … zu ›Pepes Pizzeria‹ in der Windischenstraße«, sagte ich.
    »Na, ich weiß nicht …«, zögerte Sophie, wohl wissend, dass ich mit Hanna allein sein wollte.
    »Gute Idee«, unterbrach sie Benno, »lass uns gehen!«
    Das mit dem Unterschied zwischen Männern und Frauen ist eine lange Geschichte. Früher habe ich mich immer geweigert, eine grundsätzliche, angeborenen Andersartigkeit anzuerkennen. Auch die Literaturwissenschaft hat mich in dieser Sache nicht wirklich weitergebracht. Seit einiger Zeit frage ich mich jedoch ernsthaft, ob da nicht doch ein Körnchen Wahrheit dran sein könnte – an diesem grundsätzlichen Unterschied.
    Ich rief Hanna an. Sie war von der Wendung des Abends nicht sonderlich überrascht, wahrscheinlich hatte sie sich an meine Art der Terminplanung bereits gewöhnt. Außerdem freute sie sich, Sophie und Benno wiederzusehen, der Abend bei den beiden zu Hause mit Rotkäppchen-Sekt und Goethes Frauengeschichten hatte ihr gut gefallen.
    Eine Viertelstunde später saßen wir vier alle bei Pepe. Benno hielt zärtlich Sophies Hand und ich rückte ganz nah an Hannas Stuhl heran. Wir waren alle in einer Stimmung, in der Schweigen nicht als unangenehm empfunden wurde. Unangenehm war nur ein junger Mann am Nebentisch, der die Gabe hatte, ständig etwas lauter und aufdringlicher zu reden als alle anderen Menschen in seiner Umgebung.
    Unsere Pizza kam, und wir aßen schweigend. Ich bestellte eine zweite Flasche Rotwein, der hervorragend schmeckte. Ich dachte an mein Gespräch mit Felix.
    »Hallo, Hendrik, träumst du?«, fragte Hanna.
    Ich schüttelte den Kopf. »Entschuldige … ich war gerade in Gedanken.«
    »Das hat man gemerkt. Was beschäftigt dich denn so?«
    »Felix Gensing. Vor dem Literaturtreffen habe ich ihn draußen auf dem Parkplatz getroffen«, erzählte ich, »er hat ziemliche Sorgen, sein Sohn ist im Krankenhaus.«
    »Oh! Was fehlt ihm denn?«, fragte Sophie interessiert.
    »Das weiß ich nicht, er wollte es nicht sagen. Jedenfalls ist Jens seit zwei Jahren mit Unterbrechungen im Krankenhaus.«
    »Hier in Weimar?«, fragte Sophie. Ihre Stirn kräuselte sich nachdenklich.
    »Ja, hat er gesagt.«
    »Also, bei uns im Klinikum liegt er nicht. Das wüsste ich, weil ich neulich nach unserem letzten Gespräch seine Akte durchgesehen habe, um wie besprochen mit seinem Hausarzt zu reden. Den habe ich aber nicht erwischt, er hat Urlaub. Jedenfalls war Jens nie stationär bei uns. Ich habe extra unsere Patientendatenbank durchgesehen, nach ›Jens Gensing‹ und ›Jens Werner Gensing‹, so heißt er nämlich vollständig.«
    »Und sonst gibt es kein anderes Krankenhaus in Weimar?«, fragte ich.
    »Nein, sonst gibt’s keins mehr. Das Sophienhaus und die Hufelandkliniken wurden ja vor Kurzem in der Berkaer Straße zusammengelegt. Außer …« Sie stockte.
    »Außer was?«
    »Die Psychiatrie «
    Ich sah sie an und begriff nicht, was sie da gesagt hatte.
    »Die Psychiatrie befindet sich im alten Gebäude der Hufelandkliniken in der Eduard-Rosenthal-Straße, die werden erst später ins neue Klinikum eingegliedert. Wenn er dort wäre…»
    »… dann wäre er nicht als stationärer Patient in eurer Datenbank geführt«, kombinierte Hanna. Sophie nickte.
    »Psychiatrie … das könnte schon passen«, sagte ich nachdenklich. »Sophie, hast du sonst noch etwas Besonderes in seiner Krankenakte gefunden?«
    Sie überlegte. »Ja, etwas Seltsames fällt mir gerade wieder ein. Als er angeblich vom Baum gefallen war und unbedingt wollte, dass wir seinen Kopf röntgen, gab er an, sein Os Intermaxillare sei gebrochen.«
    »Was?«, rief ich laut. Einige Gäste drehten sich um. Selbst der überpräsente junge Mann am Nebentisch war aufmerksam geworden.
    Hanna legte mir beruhigend die Hand auf den Arm. »Was ist denn ein Os…dingsbums?«, fragte sie.
    »Ein kleiner Zwischenkieferknochen!«, antwortete ich aufgeregt.
    »Woher weißt du das denn?«, fragte Sophie verblüfft.
    »Diesen Knochen hat Goethe entdeckt!«
    Sophie wurde so blass wie Pepes Tischtuch.
    Auch Benno wurde die Dimension der Sache nun langsam klar. »Du meinst …?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich leise, »aber alles passt zusammen. Er ist ein langjähriger, möglicherweise psychiatrischer Patient, und er hat Goethes Verhaltensweisen angenommen – die Sache mit dem Os Intermaxillare ist nur ein Zeichen …«
    »Welche Zeichen gibt es noch?«
    »Er mag keine Pudel!«
    »Ja

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