Goetheruh
ihn zur fraglichen Zeit durch die Lobby gehen und in der hoteleigenen Parkgarage verschwinden. Währenddessen waren wir leider mit einem Obdachlosen beschäftigt, den wir für den Täter hielten.«
»Und kurz danach hat er mir einen Besuch abgestattet«, ergänzte ich.
Scherer hob zustimmend die Hand. »Ein Punkt ist für mich unklar geblieben: Wie kam Jens Gensing an das Frankfurter Gemälde?«
Hermann grinste, als wollte er sagen: Carpe Diem – wir haben den Samstag gut genutzt.
»Auch das wissen wir inzwischen. Jens Gensing war ein Jugendfreund von Oliver Held!«
»Von dem Oliver Held?«
»Exakt. Von dem Oliver Held, den wir bereits in Verdacht hatten, der Goethehaus-Einbrecher zu sein. Leider wissen wir von ihrer Bekanntschaft erst seit gestern. Die beiden wohnten früher in der gleichen Straße, inzwischen ist die Familie Held umgezogen und Oliver hat sich danach eine eigene Wohnung gesucht, er hat demnach zweimal die Adresse gewechselt.«
Sandro Scherer machte sich fleißig Notizen.
»Oliver Held hat sich zum Drogendealen verleiten lassen. Und von dem Geld hat er sich so manches geleistet. Er ging zum Beispiel regelmäßig in …«
»Hat er denn bereits gestanden?«, unterbrach ich hastig.
»Ja, und zwar alles. Ein Kurier kam als Tourist ins Goethemuseum, hat ihm dort unbemerkt die Ware übergeben, er hat sie in seinem Rucksack herausgeschmuggelt und nachts im Ilmpark weiterverkauft.«
Ich dachte an Onkel Leo. Es ist eben doch nicht alles schwarz oder weiß, weder im Himmel noch auf Erden.
»Wobei Oliver Held eigentlich ein kleines Licht war«, fuhr Hermann fort, »er hatte einen Hauptkunden – und der hieß Jens Gensing!«
»Was?«, rief ich verwundert.
»Gensing konnte ja jederzeit aus der Psychiatrie heraus und wieder hinein. Er vertickte die Drogen dann innerhalb der Anstalt. Sogar ein Arzt war unter seinen Abnehmern, ein Dr. Wagen…dings.«
»Wagenknecht«, ergänzte ich abermals.
»Richtig«, antwortete Hermann. »Mit dem erlösten Geld hat er dann einen Museumswärter in Frankfurt bestochen. Er hat ihm erklärt, er wolle unbedingt einmal im Leben das Cornelia-Bild allein sehen und zwar im Mondschein – und all so ’n Quatsch!«
» Schwester von dem ersten Licht … «, murmelte ich.
»Wie bitte?«
»Ach nichts!«
»Na, jedenfalls hat er ihm eine tolle Geschichte erzählt, das konnte er ja, und der Kerl ist drauf reingefallen. Auch er hat bereits alles gestanden.«
»Zunächst war Gensing ja nur ein Räuber«, fragte Scherer weiter, »seit wann sind Sie eigentlich von einer Gefahr für andere Personen ausgegangen?«
Ich hob den Kopf. »Seit der ungeplanten Veröffentlichung in Ihrer Zeitung!«
Scherer ließ sich heute nicht provozieren. »In unserer Zeitung oder in einer Zeitung?«
Er hatte ja recht.
»In einer Zeitung«, antwortete ich. Damit war das Thema erledigt. Wir wussten alle, auch wenn es unausgesprochen blieb, dass es eigentlich um Hans Blume ging.
»Herr Kommissar, neben Anna Gensing lag eine der beiden Pistolen, wurde aus ihr ein Schuss abgegeben?«
»Ja, es wurde ein Schuss abgegeben, doch die alte Pistole hatte Ladehemmungen, sonst wäre Anna Gensing tot!«
Scherer riss die Augen weit auf. »Er hat also tatsächlich versucht, seine Mutter zu töten?«
»Ja, das hat er. Und seine Mutter hätte alles für ihn getan, sie wäre wohl auch für ihn gestorben.«
Vielleicht war Mutter Heddas Theorie doch nicht so schlecht.
»Welches Drama!«
Hermann nickte.
»Herr Kommissar, was passiert jetzt eigentlich mit dem Goethehaus, werden die Sicherheitsvorkehrungen dort verschärft, oder bleibt alles so, wie es war?«
»Gute Frage«, entgegnete Hermann, »die Veränderungen, die wir in den letzen drei Wochen während der Suche nach den gestohlenen Exponaten eingeführt haben, bleiben auf jeden Fall bestehen. Ich spreche von der Taschenkontrolle und den Bewegungsmeldern im Gebäudeinneren. Die Weimarer Kriminalpolizei befürwortet weitere Maßnahmen, zusätzliche Lichtschranken, Alarmsicherung einzelner Objekte und so weiter. Ob diese tatsächlich eingeführt werden, ist unklar und da sie eine Menge Geld kostet, bleibt die endgültige Entscheidung den Politikern überlassen.«
»Das heißt … Stadtrat Kessler und dem Oberbürgermeister?«
»Ja, sicher. Aber auch dem Leiter der Klassik Stiftung Weimar und dem gesamten Stadtparlament.«
»Vielleicht warten die Politiker ab, ob wir im Dezember in Kyoto den Welterbetitel zugesprochen bekommen, wenn das geklappt hat,
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