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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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Programmverkäufer in historischen Gewändern schritten umher und
die Garderobieren nahmen im Akkord Mäntel und Jacken der Besucher entgegen.
Benno war umringt von Honoratioren oder solchen, die es werden wollten. Wir
blieben mit Sophie etwas abseits. Sie sah sehr apart aus mit ihrem schlichten
schwarzen Kleid und einem dünnen silbernen Haarreif, der gut zu ihrem dunklen
Haar passte. Als wir gerade überlegten, was wir trinken sollten, kam Christoph
Heckel auf uns zu.
    »Guten
Abend, Herr Dr. Wilmut.«
    Ich
stellte Hanna und Sophie vor.
    »Ich
möchte Sie zu einem kurzen Rundgang durch das Theater einladen, etwa 20 Minuten
hätten wir Zeit dazu.«
    »Gerne«,
antwortete ich, »eine solche Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen.«
    Hanna
war auch sofort dabei, Sophie wollte lieber bei Benno bleiben, der weiterhin in
seine lobbyistischen Gespräche vertieft war.
    Zuerst
führte uns Heckel zu den Garderoben der Schauspieler. Zwei Kollegen teilten
sich jeweils einen Raum, der nicht sonderlich groß war. Zwei Spiegel,
Schminksachen, herumliegende Skriptblätter, Gläser und Getränkedosen. Auf dem
Flur Rufe und Anweisungen. »Wo ist denn der Schneider?«
    »Platz
hier!«
    »Geht
das nicht schneller?«
    Die
Stimme der Inspizientin aus dem Lautsprecher: »Noch 30 Minuten.« Im Gang
mehrere lange Garderobenständer, zehn Grenadieruniformen, ein General, zwölf
Mönchskutten neben einem Bischof, Reifröcke und Spitzenblusen. Parfümduft
wechselte mit Schweißgeruch, Ruhe mit Hektik, großer Auftritt mit
Handwerkskunst.
    Christoph
Heckel gab uns nebenbei seelenruhig Informationen zum Geschehen: »Die
Schauspieler müssen mindestens 30 Minuten vor ihrem Auftritt in der Garderobe
sein, bei aufwendigeren Masken entsprechend früher. Die Inspizientin steuert
den gesamten Ablauf per Lautsprecher und an ihrem Schaltpult hinter der Bühne.
Pünktlichkeit ist ein absolutes Muss. Bitte passen Sie auf, wo Sie hintreten!«
    »Ja,
natürlich …« Hanna und ich hatten Mühe, in dem Gewirr den Überblick zu
bewahren.
    »Jetzt
verlassen wir den Bereich der Garderoben, um die Kollegen, die gleich
auftreten, nicht zu stören. Hier ist die Schneiderei, viele Kostüme werden hier
extra angefertigt, manche geändert oder an das jeweilige Stück angepasst.« Er
öffnete eine Tür. »Hier ist die Deko, teils Requisite …«
    Wir
blickten in einen riesigen Raum hinter der Bühne, in dem sich Möbel,
Schaufensterpuppen und Wandelemente türmten, seltsame Fahrzeuge und eine alte
Stehlampe.
    »Was
ist denn der Unterschied zwischen Deko und Requisite?«, fragte ich.
    Christoph
Heckel überlegte einen Moment. »Nehmen wir zum Beispiel diese alte Lampe hier.
Steht die auf der Bühne, leuchtet aber nicht und hat keine spezielle Bedeutung
in dem Stück, so gehört sie in den Bereich der Deko-Kollegen. Ist sie
angeschlossen und eingeschaltet, dann sind die Beleuchter dafür verantwortlich.
Wird sie innerhalb des Stücks bespielt, gehört sie zur Requisite.«
    Hanna
lachte. »Und wenn sie beleuchtet ist und bespielt wird?«
    »Dann
gibt es möglicherweise Ärger«, antwortete Heckel lächelnd. »Wir gehen jetzt
hier hoch in die Malerwerkstatt. Da drüben ist übrigens die Schreinerei, da
können wir aber nicht hineingehen.«
    Die
Malerwerkstatt war ein hoher, heller Raum, in dem drei große Wandsegmente
aufgebaut waren, die im Stil des 19. Jahrhunderts hergerichtet wurden. Hanna
und ich waren beeindruckt.
    »Ich
habe nicht damit gerechnet, dass so viele Handwerker notwendig sind, um ein
Theater in Gang zu halten.«
    »Ja,
das stimmt«, sagte Christoph Heckel, »dazu kommen dann noch die
Bühnentechniker, die Beleuchter und die Elektriker.«
    »Und
außer den Handwerkern – die Musiker?«, fragte Hanna.
    »Ja
natürlich, das Staatsorchester, 99 Stellen insgesamt.«
    »Und
die Schauspieler«, ergänzte ich.
    »Selbstverständlich,
20 Stellen.«
    »Mehr
nicht?«
    »Nein,
der Rest wird durch Gastschauspieler abgedeckt, unser fest angestelltes
Ensemble besteht tatsächlich nur aus 20 Leuten.«
    Er ging
weiter, zwischendurch immer wieder der Hinweis: »Und hier geht’s zur Bühne!«
Heckel stieg eine schmale Treppe hinauf und öffnete eine Tür. Ich folgte
mühsam, mein Tennisknie machte sich bemerkbar. »Schauen Sie mal hier hinein,
der Schnürboden …« Unser Blick schwebte 20 Meter über der Bühne. »Dort hinten
sitzt einer der Beleuchter.« Er nickte seinem Kollegen zu. Gegenseitiger
Respekt, egal ob Schauspieler, Intendant, Handwerker oder

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