Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
sich zu bewerben?«
»Du
triffst genau den Punkt«, antwortete ich. »Es sieht alles danach aus, als hätte
er ihn dazu überredet.«
»Wenn
Liebrich ihn wirklich so stark beeinflusst«, meinte Hanna, »dann trifft Benno
ja wieder keine eigene Entscheidung.«
Ich
nickte nachdenklich. »Das stimmt. Jedenfalls weißt du jetzt, wie ich in den
Fall Pajak reingerutscht bin.« Und mit einem Seitenblick auf Siggi ergänzte
ich: « Halb zog er ihn, halb sank er hin …«
Siggi
grinste. »Jedenfalls ist es gut so. Vorläufig kannst du leider nur verdeckt
mitarbeiten. Irgendwann werden Lehnert und Göschke einsehen, dass es richtig
war, dich mit ins Boot zu holen, aber dazu ist es noch zu früh.«
»Hört
sich nach Ärger an, oder?«, fragte Hanna.
»Haben
wir schon jemals gekniffen, nur weil es Ärger geben könnte?«, warf ich ein.
Sie
lächelte. »Ja, ich denke schon.«
Ich
legte den Arm um sie. »Sei doch nicht immer so furchtbar ehrlich!«
»Neulich
hast du gesagt, dass du genau das an mir liebst.«
Ich gab
Hanna einen Kuss. »Und das gilt auch heute noch.«
Siggi
schmunzelte. Mit einem Blick in den Backofen fragte er: »Dein Speiseplan ist ja
sehr übersichtlich geworden in letzter Zeit. Thüringer Rostbratwurst und Pizza,
das war’s.«
Hanna
lächelte, ich sah ihn erstaunt an.
»Als
dein Freund muss ich dich warnen«, fuhr er fort. »Du stirbst irgendwann mal an
Bratwurst- oder Pizza-Vergiftung.«
»Welch
ein schöner Tod!«
»Bin
mal gespannt, ob deine Pizza so gut schmeckt wie die von Cindy und John.«
»Ich
gebe mir Mühe. Das Rezept haben die beiden mir überlassen, bevor sie aus Weimar
weggingen. Sie wollten ja unbedingt zurück nach Dallas.«
Hanna
und ich vermissten die Abende mit den beiden Texanern.
»Lass
gut sein«, meinte Hanna, »dort ist eben ihre Heimat, so wie Weimar meine ist.«
»Und
auch Sophies Heimat«, ergänzte ich.
»Ihr
meint also, Sophie geht nicht mit nach Frankfurt?«, fragte Siggi.
»Nein,
auf keinen Fall«, antwortete Hanna.
»Klingt
nach Ärger.«
Ich
hockte mich vor den Backofen und beobachtete die Pizza. Benno wollte mit Sophie
reden. Gestern Abend. Nur so war der Ärger abzuwenden. Besser gesagt: die
Tragödie – klang zwar nach Theater, traf aber den Kern der Sache. Ich
versuchte, mir eine Trennung der beiden vorzustellen, womöglich eine Scheidung.
Nein, unvorstellbar. Ich musste mich von dem Gedanken losreißen.
»Gibt’s
etwas Neues von Jolanta Pajak?«, fragte ich.
»Sie
ist nach wie vor verschwunden«, antwortete Siggi. »Der schriftliche Hilferuf
stammt eindeutig von ihr, das haben die Grafologen bestätigt, ebenso die
Fingerabdrücke auf dem Papier.«
»Woher
hat die Daktylografie denn Vergleichsabdrücke bekommen?«
Siggi
schmunzelte. »Von ihrem Zahnputzglas.«
Zahnputzglas!
Meine Güte … die bloße Erinnerung daran ließ mich schaudern. Was den
Goetheglut-Fall betraf, der mir vor drei Jahren ein paar schreckliche Tage in
Untersuchungshaft eingebracht hatte, wünschte ich mir eine selektive Amnesie.
»Damit
ist eindeutig bestätigt, dass Jolanta Pajak entführt wurde«, fuhr Siggi fort.
»Die SOKO ›Theater‹ hatte beschlossen, die Presse zu informieren, überall
prangen Bilder von Jolanta Pajak in den Zeitungen, habt ihr sicher schon
gesehen. Hunderte von Hinweisen sind eingegangen, jedoch ohne konkrete Spur.
Die Rekonstruktion der Ereignisse nach der Generalprobe hatte ergeben, dass
Frau Pajak gegen 22.40 Uhr das Theater mit einem kurzen Gruß an den Pförtner
verlassen hat. Mehr konnte dieser nicht sagen. Ihr Ehemann, Adrian Pajak, hat
zuletzt um 22.16 Uhr mit ihr telefoniert. Dabei hat sie gesagt, dass sie ins
Theater-Café gehen wolle und gegen Mitternacht zu Hause sei. Herr Feinert hat
versprochen, sie mit dem Auto nach Hause zu bringen. Sie meinte noch belustigt,
der trinke ja sowieso keinen Alkohol, nur Kamillentee, darauf könne man sich
verlassen. Als Herr Pajak sie um 22.49 Uhr erneut anrufen wollte, war ihr Handy
ausgeschaltet. Er hat es noch zweimal versucht, wieder keine Verbindung. Danach
rief er den Pförtner an und dieser Martin Feinert, der Rest ist euch ja
bekannt.«
»Das
Telefonat mit ihrem Mann und die Begegnung mit dem Pförtner waren also die
letzten Lebenszeichen von Jolanta Pajak?«, fragte Hanna.
»So ist
es. Seitdem scheint sie wie vom Erdboden verschluckt. Wir haben das komplette
Programm zur Suche nach verschwundenen Personen anlaufen lassen. Meine Kollegen
haben in der Thomas-Müntzer-Straße und im Bereich
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