Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Kollege?«
»Kriminalrat
Lehnert will uns sehen. Wegen der Pressekonferenz.«
»Gut,
ich komme.« Er stand auf. »Herr Wilmut hat mir sowieso nur einen kurzen Besuch
abgestattet, wir haben unseren Urlaub im Thüringer Wald besprochen.« Dabei
zeigte er auf den dünnen Prospekt.
»Im
Thüringer Wald«, erklang das Meininger-Echo.
»Ja, im
Winter, Skiurlaub«, fügte ich hinzu. »Ciao, Siggi, bis heute Abend!«
»Wieso
heute Abend?«
»Bei
uns in der Humboldtstraße, wir wollen doch Hannas Geburtstag feiern, es gibt
selbst gebackene Pizza und einen trockenen Rotwein …«
»… ach
ja, hatte ich ganz vergessen, danke, 19 Uhr?«
»Genau,
19 Uhr. Auf Wiedersehen, Herr Meininger!«
Im
Hinausgehen hörte ich Meininger noch sagen: »Will der sich etwa schon wieder in
unseren Fall …?« Dann fiel die Tür ins Schloss.
16. In einem Kopf
Erneut schlug Pierre das Buch
auf. Er kannte den ›Clavigo‹ beinahe auswendig, aber immer wieder begann er von
vorn. So, als suche er die Lösung in Goethes Worten. Die Lösung für all seine
Probleme. Und tatsächlich fand er eine Stelle, die ihm die Augen öffnete.
Endlich! Er hatte diese Sätze schon viele Male gelesen, aber bisher nie
verstanden. Dabei waren sie doch so klar, so deutlich:
»Geliebt
von den Ersten des Königreichs! Geehrt durch meine Wissenschaften, meinen Rang!
… Hinauf! Hinauf! Und da kostet’s Mühe und List. Man braucht seinen ganzen
Kopf, und die Weiber, die Weiber! Man vertändelt gar zu viel Zeit mit ihnen.«
Schlagartig
war ihm klar, welche Weiber Goethe damit gemeint hatte.
17. In der Küche
Punkt 19 Uhr stand Siggi vor
unserer Haustür. Hanna öffnete. »Für dich, herzlichen Glückwunsch zum
Geburtstag!«, hörte ich ihn sagen. Ich lächelte. Typisch Siggi.
»Oh,
die schönen Blumen«, rief Hanna, »aber du weißt doch, dass ich erst im Dezember
Geburtstag habe.«
»Eigentlich
schon, aber Hendrik hat behauptet, du feierst heute, deswegen bin ich hier,
Pizza und Rotwein …«
Beide
gesellten sich zu mir in die Küche, wo ich gerade damit beschäftigt war, die
reichlich belegte Pizza in den Ofen zu schieben. Siggi nahm auf der Eckbank
Platz.
»Na ja,
kleine Notlüge«, erklärte ich. »Meininger und Kriminalrat Lehnert dürfen nicht
wissen, dass ich an dem Fall Pajak mitarbeite.«
»Aha,
du bist also dabei«, sagte Hanna im deutlichen Bemühen, einen neutralen Tonfall
beizubehalten. »Ich dachte, du wolltest dich diesmal fernhalten?«
»Na ja
…«
Siggi
lächelte. Ich drückte ihm eine Flasche Rotwein in die Hand und bedeutete ihm,
sie zu öffnen.
»…
eigentlich schon. Aber zum einen hatte ich Spielschulden zu begleichen …« Hanna
sah mich besorgt an. »… nichts Schlimmes, nur eine leichte Selbstüberschätzung
beim Tennis.« Hannas Blick entspannte sich wieder. »Außerdem ist mir klar
geworden, dass Siggis Fall irgendwie mit unserem zusammenhängt.«
»Du
meinst der Fall Pajak mit dem Fall Benno?«, fragte Hanna.
»Genau.«
Siggi
runzelte die Stirn. »Was denn für ein Fall Benno?«
Hanna
unterrichtete Siggi mit kurzen Worten von Bennos Plänen.
»Und er
will das tatsächlich durchziehen, ohne Rücksicht auf Sophie?«, fragte Siggi
sichtlich beeindruckt.
Hanna
nickte. »Ja, das will er.«
»Nicht
zu glauben. Und mir hat er nichts davon erzählt.«
»Uns
auch nicht«, sagte ich, während ich eine Flasche Riesling für Hanna aus dem
Kühlschrank holte. »Wir erfuhren zunächst alles von Sophie, sie bat uns um
Hilfe. Später habe ich dann Benno darauf angesprochen, am Montag in Offenbach.
Er möchte endlich einmal eine eigene Entscheidung treffen, sagt er, unabhängig
von seiner Familie oder anderen Personen. Das kann ich ja verstehen, aber
deswegen Sophie alleinzulassen …?«
»Hat er
denn überhaupt eine Chance bei der OB-Wahl in Frankfurt?«
»Nach
dem, was ich von meiner Mutter weiß, liegt er gut im Rennen, aber der
eigentliche Wahlkampf hat noch gar nicht angefangen.«
Siggi
schüttelte ungläubig den Kopf und füllte die Weingläser. »Und was hat das nun
mit dem Fall Pajak zu tun?«
»Na ja,
das ist mehr eine Ahnung …«
Er
forderte mich mit einer Handbewegung auf, weiterzusprechen.
»Benno
erzählt seinen alten Freunden nichts mehr von seinen Plänen, dafür bespricht er
alles mit Liebrich.«
»Mit
Liebrich?«
»Ja,
genau. Liebrich ist das Bindeglied zwischen beiden Fällen.«
»Hat er
denn nur mit Benno geredet, über diese OB-Stelle?«, fragte Siggi. »Oder hat er
ihn auch aktiv überzeugt,
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