Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
2.
September, genau an dem Tag, als die Anna Amalia Bibliothek brannte.«
Oh ja,
an diesen Tag erinnerte ich mich auch noch sehr gut.
»Ich
danke Ihnen sehr. Wenn möglich, werde ich Ihren Namen aus den Ermittlungen
heraushalten. Versprechen kann ich das aber nicht. Eventuell brauchen wir eine
protokollierte Aussage, in diesem Fall wird sich Hauptkommissar Volk von der
Kripo Frankfurt melden. Aber ich kann Ihnen versichern, dass niemand außerhalb
unseres Ermittlungsteams etwas davon erfahren wird.«
»Danke.
Sie sind echt ein cooler Typ …« Sie bekam einen roten Kopf. »Entschuldigung!«
»Ist
schon okay. Alles Gute für Sie!«
Seit
Langem war ich nicht so aufgewühlt wie nach diesem Gespräch. Ich dachte über
Steffi Feinerts Worte nach. ›Er hatte eine gewisse Macht über mich.‹ Der Herr
Liebrich. Wie viel Macht er wohl bereits über Benno hatte?
15. Weimar, Polizeipräsidium, Büro KHK Dorst
Es war Mittwoch, der 31.
Oktober 2007, fast eine Woche nach Jolanta Pajaks Entführung. Wie musste sie
sich fühlen? In welcher Art von Versteck harrte sie aus? Unter welchen
Umständen? Ob sie wohl genug zu essen und zu trinken hatte, eine Toilette,
warme Kleidung? Während ich darüber nachdachte, lief ich auf der Suche nach
Siggis Büro durch das alte Gebäude am Rathenauplatz. Es gehörte zu Hitlers
ehemaligen Monumentalbauten, die heute außer dem Polizeipräsidium das Thüringer
Landesverwaltungsamt beherbergten. Der daran anschließende Koloss in der
Friedensstraße war ursprünglich als Versammlungshalle für 20.000 Menschen
geplant und diente mittlerweile als Einkaufszentrum. In manch anderer Stadt
hätte man diese Insignien früherer Machthaber abgerissen, vertuscht und unter
den Teppich gekehrt. Nicht so in Weimar: Die Zeichen waren noch da, groß und
gegenwärtig, wie selbstverständlich, im täglichen Leben und im täglichen
Sterben.
Kurz
vor 9 Uhr. Endlich stand ich vor seinem Büro. Ein eher unscheinbares Schild
verriet mir, dass ich am Ziel war: ›K1 – Kriminalhauptkommissar Siegfried
Dorst‹. Ich hob die Hand, um zu klopfen. Doch ich zögerte. War es wirklich der
richtige Schritt? Vor neun Jahren hatten Siggi und ich uns in diesem Zimmer
kennengelernt, während des Goetheruh-Falls. Ironischerweise waren auch Hanna
und ich uns in dieser Zeit nähergekommen. – Und unser erster Kuss, hier in
diesem Gebäude. Wenn das kein Wink des Schicksals war … Ich klopfte.
»Herein!«
»Hallo,
Siggi!«
»Oh,
Hendrik, ja … komm rein!«
Ich
blieb in der Tür stehen. »Störe ich dich? Kannst du ruhig sagen, ich habe mich
ja nicht angemeldet, ein kurzer Entschluss sozusagen …«
Er
zeigte hinter mich. »Du störst nicht, aber mach bitte die Tür zu.«
Ich
tat, wie mir geheißen. »Eigentlich wollte ich nur meine Spielschulden einlösen.
Hier!« Dabei wedelte ich mit Richards Bericht. »Habe heute früh noch einige
handschriftliche Anmerkung hinzugefügt, die können wir …«
»Setz
dich bitte erst mal!«
Ich zog
einen alten, jammervoll aussehenden Stuhl heran. »Was ist los?«
»Pass
auf, ich hatte vor einer Stunde eine Besprechung mit Kriminalrat Lehnert und
dem Polizeipräsidenten.«
»Adolf
Göschke, das Fagott«, schnarrte ich und versuchte dabei dessen Stimme zu
imitieren.
»Na,
ja, auf jeden Fall hat er uns sehr deutlich gemacht, dass dies ein brisanter
Fall ist.«
»Okay,
das war dir sicher vorher schon klar.«
»Natürlich,
aber weil Jolanta Pajak so eine bekannte Persönlichkeit ist, drehen jetzt alle
durch. Ich kann froh sein, den Fall überhaupt behalten zu dürfen. Und das auch
nur, weil ich vor zwei Jahren an einem speziellen Lehrgang zum Thema
Entführungen teilgenommen habe. Jedenfalls hat der Kultusminister sich nach dem
Fall erkundigt und Göschke erwägt die Einschaltung des LKA. Weil Frau Pajak
ihren Hauptwohnsitz in Berlin hat, haben auch die Berliner Kollegen
nachgefragt, ob wir Hilfe brauchen. Dazu noch die Presseanfragen, nicht nur aus
Thüringen, von überall her, auch aus Polen, das kannst du dir ja vorstellen.«
»Na
schön«, meinte ich gelassen.
»Eben nicht
schön. Göschke hat eine hohe Geheimhaltungsstufe verhängt, die es auf keinen
Fall gestattet, externe Berater hinzuzuziehen, es sei denn mit seiner
persönlichen Genehmigung. Kriminalrat Lehnert ist deiner Mitarbeit gegenüber
nicht abgeneigt, aber Göschke lehnt sie kategorisch ab. Derzeit jedenfalls.«
Einmal
tief durchatmen. Immer wieder stand mir das Fagott im Weg. »Auch nicht als
Experte, so
Weitere Kostenlose Bücher