Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Doch sie hielt mich weitere zehn Minuten fest, ohne dass ich eine
Chance hatte, mich elegant zu verabschieden.
Endlich
saß ich wieder an meinem Schreibtisch. Zuerst gab ich in das
Internet-Suchfenster den Namen ›Adrian Pajak‹ ein. Es erschienen über zwei
Millionen Einträge, die meisten in Polen, sowohl in Krakau, dem Geburtsort von
Jolanta Pajak, als auch in anderen Städten. In Berlin existierte ein
Immobilienbüro Adrian Pajak, Friedrichstraße 160 – noble Adresse. Ich verglich
die Adresse mit den Eintragungen auf Jolanta Pajaks Webseite und fand dort
einen Link zu APA Immobilien, Berlin, Friedrichstraße 160 – Treffer! In Weimar
gab es keinerlei Einträge zu seinem Namen, auch nicht unter den
Immobilienbüros. Wahrscheinlich organisierte er alles von seinem Berliner
Standort aus. Mehr war nicht zu holen. Ein kurzer Anruf bei meiner polnischen
Kollegin an der Uni Frankfurt bestätigte den Verdacht, dass der Name Adrian
Pajak in Polen so gebräuchlich war wie in Deutschland etwa Thomas Braun. Auf
diese Weise kam ich also nicht weiter. Nur eins interessierte mich noch: diese
Adresse. Ich gab ›Friedrichstraße 160‹ ein und fand etwas recht Überraschendes.
Dann führte ich zwei Telefonate, beide mit demselben Ergebnis. Es passte
zusammen. Sehr interessant. Darüber musste ich unbedingt mit Siggi sprechen.
Jetzt
war Ewa Janowska an der Reihe. Auch dieser Name war recht häufig, die
Trefferzahl reduzierte sich auf 200.000, immer noch eine unüberschaubare Menge,
doch da ich wusste, dass Ewa als Flötistin in der Staatskapelle Weimar
arbeitete, fand ich sie schnell. Sie war ebenfalls in Krakau geboren und hatte
zusammen mit Jolanta Pajak die Schauspielschule in Warschau besucht. Ich
wunderte mich, warum sie dann nicht Schauspielerin geworden war, sondern
Musikerin. Das musste ich herausbekommen. Es dauerte fast eine halbe Stunde bis
ich eine Spur fand: Einen Zeitungsartikel der ›Gazeta Robotnicza‹ aus dem
fraglichen Jahr, der beide Namen enthielt, leider auf Polnisch, sodass ich
Hilfe brauchte. Die Kollegin aus Frankfurt musste nochmals einspringen, was für
sie kein Problem darzustellen schien. Mir fiel ein, dass sie mich schon immer
mochte, kurze Blicke, unausgesprochene Fragen, nette Gesten, unbeantwortet. Das
Ergebnis war äußerst verblüffend: Jolanta Pajak hatte Ewa Janowska im Kampf um
den letzten Platz in der Warschauer Schauspielklasse ausgestochen – angeblich
mit unfairen Mitteln, was Ewa selbst, der Betriebsrat und die Arbeiterzeitung
gar nicht lustig fanden. Nachzuweisen war ihr jedoch nichts, also blieb das
Ganze ohne Folgen. Beide waren mittlerweile 37 Jahre alt. Ein Racheakt nach 18
Jahren? Eher unwahrscheinlich, aber ich musste auch darüber mit Siggi reden.
Die
Nächste war Nicoletta Berlinger. Nichts zu finden. Keinerlei Einträge, noch
nicht einmal im örtlichen Telefonbuch. Seltsam. Wie hatte Adrian Pajak seine
Nachbarin genannt? Nicki. Ich gab die Suchbegriffe Nicki und Weimar ein. Wieder
nichts. Dann änderte ich die Schreibweise von ›Nicki‹ in ›Nikki‹. Treffer. Ein
Callgirl in der Fuldaer Straße. Konnte das Frau Berlinger sein? Ich vergrößerte
das Foto von Nikki und erkannte einwandfrei ein interessantes Muttermal auf der
Oberlippe. Lieh man sich nachts Hefe bei einer Prostituierten? Vielleicht
wohnte sie tatsächlich nur in der Thomas-Müntzer-Straße, neben Pajaks, ganz
privat sozusagen. Wusste Adrian Pajak von ihrem Beruf? Fragen über Fragen.
Immerhin: Der Fall nahm langsam Fahrt auf.
Klaus
Felder. Ich fand fünf Personen in Deutschland mit diesem Namen, relativ schnell
stellte sich heraus, dass es sich bei der für uns interessanten Person nur um
Klaus Alexander Felder handeln konnte, geboren am 3. März 1964 in Bad Homburg bei
Frankfurt, inzwischen also 43 Jahre alt. Er hatte eine Facebook-Seite, auf der
ich seinen Geburtstag und Geburtsort fand, sonst nichts Verfängliches. Die
Website seiner Partei zeigte einen Lebenslauf, der mit den Facebook-Daten
übereinstimmte und ansonsten seinen beruflichen Werdegang als
Volkswirtschaftler, Finanzpolitiker, Staatssekretär im Hessischen
Kultusministerium und Abteilungsleiter im Thüringer Finanzministerium
darstellte. Aus meiner Sicht nichts Bemerkenswertes.
Das
Klingeln des Telefons unterbrach meine Gedanken. Es war Sophie. Sie war
glücklich. Eigentlich wollte sie nur ein wenig plaudern, sie hatte Frühdienst
gehabt und war gerade nach Hause gekommen. Benno war offensichtlich wieder der
Alte, derjenige, den sie
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