Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
Vom Netzwerk:
ihn zu beeinflussen.«
    Mir
platzte fast der Kragen, aber ich musste ruhig bleiben. »Nun stellen Sie Ihr
Licht nicht unter den Scheffel, Ihr Einfluss ist größer, als Sie denken.« Wie
konnte ich nur so einen Mist reden, während der Kerl Benno an der Angel hatte.
Manchmal ist Diplomatie nahe an Selbstaufgabe.
    »Wie
schon zuvor erwähnt, Herr Wilmut, ich bin lediglich Herrn Kesslers Mentor,
nicht sein Schulmeister. Zudem befindet er sich derzeit in Frankfurt, und ich
bin hier in meiner Eigenschaft als Impresario …«
    »Ja,
ja, ich weiß.« Es war kaum auszuhalten mit diesem Mensch. »Übrigens, warum sind
Sie damals so schnell wieder aus Hamburg weggegangen?« Zumindest hatte ich es
geschafft, ihn zu überraschen.
    »Sieh
da, Herr Wilmut hat sich mit meinem Curriculum Vitae beschäftigt. Durchaus
beeindruckend.«
    »Man
muss seinen Gegner ja kennen!«, sagte ich mit einem Lachen, das ironisch
klingen sollte. Wir wussten beide, dass sich hinter der gespielten Ironie die
Wahrheit verbarg.
    »Eigentlich
sehe ich keinen kausalen Zusammenhang zwischen Herrn Kesslers Entscheidung –
derentwegen Sie hier zugegen sind – und Ihrer Frage, Herr Wilmut. Aber da ich
nichts zu verbergen habe, bin ich geneigt, Ihnen entgegenzukommen.« Er stand
auf, schaute aus dem Fenster und tat so, als gäbe es draußen etwas
Interessantes zu sehen. Er musste sich sammeln. Ich empfand das als kleinen
Triumph. »Unser damaliger Generalintendant war ein verbitterter Greis, weit
über dem Pensionsalter, seit drei Jahren in kommissarischer Leitung, weil sich
kein adaptierbarer Nachfolger fand. Meine Ideen waren wohl zu revolutionär für
solch einen … Menschen.«
    »Das
heißt, es gab Krach?«
    »Ja,
Herr Wilmut. Dieser Ausdruck trifft durchaus den Kern der Sache.«
    »Und
Sie sind dort hingegangen, weil Sie sich erhofft haben, der neue
Generalintendant zu werden?«
    »Würde
es Sie wundern, wenn dies der Realität entspräche?«
    »Nein«,
antwortete ich, »das würde mich überhaupt nicht wundern.«
    »Sehen
Sie, Herr Wilmut, Ihre letzte Frage war also völlig unnötig. Ich hätte sie aus
dem Drehbuch gestrichen.«
    In
meinem Mund machte sich ein galleartiger Geschmack breit. Und bei Liebrich war
kein noch so kleiner Ansatzpunkt der Kooperation zu erkennen. Ich stand auf.
Dabei fiel mein Blick erneut auf das Bild mit Dana Hartmannsberger und dem
Hund, das auf dem Kamin stand.
    »Wohnt
Frau Hartmannsberger hier mit Ihnen?«
    Auch er
erhob sich. »Sie wohnt ebenfalls hier.«
    »Sie
hat wohl viel zu tun mit der Rolle der Marie?«
    »Das
ist korrekt.«
    »Ich
habe gehört, dass sie diese Rolle gar nicht in Frankfurt gespielt hat, so wie
Sie im Theater-Café behauptet haben …«
    »Von
wem sollte diese Information denn stammen?«
    Ich
lächelte. »Von einer gewissen Stefanie Feinert.«
    Seine
Augen wurden sehr schmal. Ich merkte, dass er Mühe hatte, einen festen Stand zu
bewahren. »Da hat sich Frau Feinert offensichtlich geirrt. Außerdem ist das
irrelevant, da Frau Hartmannsberger die Rolle inzwischen vollends inkorporiert
hat!«
    Ich
fragte mich, ob er seine Lebensgefährtin auch mit ›Sie‹ anredete. Jedenfalls
wollte ich diesem Menschen und seinen geschraubten Formulierungen nicht weiter
zuhören und verabschiedete mich.
    Er
begleitete mich zur Tür. »Und denken Sie daran, Herr Wilmut, wir können zwar
nicht ohne Weiber leben, aber mich hindern sie an gar nichts!«
    Natürlich,
als langjähriger Theaterregisseur kannte auch er den ›Clavigo‹ in- und
auswendig. Ehe ich so richtig darüber nachdenken konnte, sah ich einen Mann
aufs Haus zukommen, durchaus sportliche Figur, langsamer Schritt. Ich ging ihm
entgegen, hauptsächlich in dem Bestreben, Liebrich zu entkommen. In der Mitte
des Weges trafen wir uns. Es war Joachim Waldmann, Liebrichs Adlatus. Ich
begrüßte ihn. Sein Blick strahlte etwas Seltsames aus. Es war kaum zu fassen
für mich. Ich sagte nichts, sah ihn nur an, sah ihm direkt in die Augen. Gerade
als er den Mund öffnen wollte, erklang hinter mir eine schneidende Stimme:
»Joachim!«
     
    Ich fuhr sofort los, denn ich
wollte Liebrich so schnell wie möglich hinter mir lassen. Das Seitenfenster des
Passat ließ ich trotz der kalten Novemberluft geöffnet, so als wollte ich
selbst Liebrichs Geruch loswerden. Ich fuhr in Richtung Goethe- und
Schiller-Archiv. Ich brauchte so schnell wie möglich einen Espresso. Kurzerhand
bog ich links ab, fuhr über die Kegelbrücke, dann rechts in den Graben. Vor dem
Dönerladen fand

Weitere Kostenlose Bücher