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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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ihm am Ende des Stücks?«
    Meine
Knie fühlten sich weich an. »Nichts.«
    Siggi
und Ella sahen mich fragend an. Es dauerte einen Moment, bis Siggi die
entscheidende Frage stellte: »Was tut dieser Beaumarchais am Ende?«
    »Er
tötet Clavigo.«

30. Frankfurt, Südbahnhof, Gleis 2
     
    Bis zum Hattenbacher Dreieck
hatte ich keine Ahnung, wie ich Benno, der nach wie vor nicht an sein
Mobiltelefon ging, überhaupt finden sollte. Dann kam mir eine Idee: Ich fuhr zum
Kiosk an der Raststätte Berfa und kaufte mir die Frankfurter Rundschau.
Vielleicht gab es bereits eine Ankündigung seiner Partei. Auch wenn der
Wahltermin noch weit weg war, so liebten es die Parteien doch, frühzeitig ihre
Kandidaten ins Rampenlicht zu rücken. Zumal ja schon überall von dem
geheimnisvollen Nachfolger der Oberbürgermeisterin gesprochen wurde.
    Und
tatsächlich, kaum hatte ich den Frankfurter Lokalteil aufgeschlagen, prangte
ein großes Bild mitten auf der Titelseite: Benno neben der strahlenden Pia
Ross, die ihrem potenziellen Nachfolger zulächelte. Darunter eine fette
Schlagzeile: ›Benno Kessler, aus dem Osten für den Westen?‹ Wieder einmal
wurden Menschen auf die Ost-West-Thematik reduziert. Noch dazu mit einem
Fragezeichen versehen, was ich sofort als Infragestellung von Bennos Kompetenz
interpretierte. Vielleicht war ich da aber nur zu empfindlich. Ich ertappte
mich dabei, politisch für Benno Partei zu ergreifen. Doch das war nicht mein
Ziel. Ich musste ein privates, ein heikles Gespräch mit ihm führen. In dem
zugehörigen Artikel stand etwas, das mir weiterhalf: Heute, Sonntagabend um 19
Uhr, sollte Benno im Südbahnhof der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Der
Bahnhof beherbergte ein Bürgerhaus, in dem häufig politische Veranstaltungen und
Konzerte stattfanden. Für die südlichen Stadtteile Oberrad, Sachsenhausen und
Niederrad war es der zentrale Veranstaltungsort. Es würde nicht leicht sein,
dort an Benno heranzukommen, aber ich musste es versuchen.
    Ich
fuhr grübelnd weiter und wälzte meine Gedanken zu den vergangenen Ereignissen
im Kopf hin und her. Auf der Höhe von Gießen rief Siggi an, um mir mitzuteilen,
dass Waldmann verschwunden war. Weder in seiner Wohnung noch bei Liebrich oder
im Theater war er zu finden. Außerdem fuhr Waldmann kein dunkelblaues Fahrzeug
mit Frankfurter Kennzeichen, sondern einen roten Opel Astra mit Weimarer
Zulassung.
    Als ich
am Homburger Kreuz das erste Hinweisschild nach Offenbach sah, fiel mir ein,
dass auch meine Mutter nichts von Sophies Tod wusste. Die Zeit würde reichen,
ich bog ab und lenkte den Passat auf die A 661 in Richtung Südosten. In Mutters
Senioren-WG in Klein-Amsterdam herrschte Hochbetrieb. Der Kaffeetisch war
gedeckt, Kerzen brannten, die Spielkarten lagen bereit, aus dem Hintergrund
erklang klassische Musik, ein Päckchen Lebkuchen wurde geöffnet. Es tat richtig
weh, Mutter aus dieser Idylle zu reißen. Ich bugsierte sie in ihre kleine
Wohnung im ersten Stock, um in Ruhe mit ihr zu reden.
    Sophie
war zwar nur ihre angeheiratete Nichte, aber die beiden hatten von Anfang an
ein sehr gutes Verhältnis. Fast konnte man von einer Art geistiger
Verwandtschaft sprechen. Auf jeder Familienfeier hatten die beiden
zusammengesessen, getratscht und gelacht. Besonders die Liebe zu Weimar war ein
Bindeglied zwischen Sophie und Tante Heddalein. So durfte sie nur Sophie
nennen.
    Der
Schock saß tief. Möglicherweise nahm der Mensch im höheren Alter das Thema Tod
schwerer, weil es ihm näherstand als den Jüngeren. Nervös lief sie im Zimmer
umher, wusste nicht, wohin mit sich selbst, zog Schubladen auf und schloss sie
wieder. Endlich fand sie eine Mappe, die ich kannte. ›Testament‹ stand auf dem
Einband. Sie nahm einen Zettel heraus und hielt ihn mir hin.
     
    Eines Morgens wachst du nicht
mehr auf.
    Die
Vögel aber singen, wie sie gestern sangen.
    Nichts
ändert diesen neuen Tageslauf.
    Nur du
bist fortgegangen –
    Du bist
nun frei und unsere Tränen wünschen dir Glück.
     
    Ich nahm sie in den Arm. Sie
weinte.
     
    Gegen 17.30 Uhr fuhr die S-Bahn
von Offenbach nach Frankfurt. Mit dem Auto zu fahren wäre glatter Unsinn
gewesen, denn am Südbahnhof waren Parkplätze absolute Mangelware, außerdem
hielt die Bahn direkt unter dem Ort des Geschehens. Zuvor hatte ich zu Hause
angerufen und mit Karola gesprochen. Hanna gehe es besser, sie sei aber sehr müde
und liege schon im Bett. An der Haltestelle Mühlberg klingelte mein
Mobiltelefon. Es war klar, dass sich

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