Götter der Lust
senkte sich seine Brust.
Auch Abby fiel es schwer, wieder zu Atem zu kommen. Eine köstliche Trägheit erfüllte ihren Körper so sehr, dass sie keinerlei Lust verspürte, sich zu bewegen. Nach dem dritten Mal Sex an einem Tag hatte sie eigentlich erwartet, sich ein wenig wund zu fühlen, doch im wohltuenden Gefühl tiefer Befriedigung fand der Schmerz keinen Platz.
Am nächsten Morgen folgte Abby, die Pläne in der Hand, Myles ins Studierzimmer. Regale säumten den Raum und ließen lediglich Platz für ein paar wenige hohe Fenster, durch die die Morgensonne hereinfiel.
Tische und Stühle waren zum Schutz vor Staub mit Tüchern abgedeckt. Abby schloss aus ihrer Form, was sich unter dem jeweiligen Tuch befand, auch wenn ihr das bei einem der Möbelstücke nicht recht gelingen wollte.
Sie legte die Pläne auf die größte ebene Fläche, die sie finden konnte, und entrollte sie so, dass die Zeichnungen parallel zu den Wänden lagen.
Dann beschwerte sie ein Ende der Papierrolle mit dem Zipfel einer der schweren Decken und kräuselte die Nase, als der aufgewirbelte Staub ihr in dieselbe drang. «Was glaubst du, wo das ist?» Sie zeigte auf die außergewöhnlich dicke Wand in den Blaupausen.
Myles betrachtete die Zeichnung und dann den Raum selbst, bevor er zur Orientierung wieder zu den Blaupausen zurückging. «Es scheint in der Außenwand zu liegen, was mir aber merkwürdig vorkommt, weil die gesamte Fassade aus ein und demselben Stein zu bestehen scheint.»
«Wobei wir annehmen, dass es sich hier um einen älteren Teil des Hauses handelt.»
«Genau.»
Seine knappe Antwort störte sie nicht im Geringsten. Er arbeitete eben auf dieselbe Weise wie sie – vollständig in seine Aufgabe vertieft und fest entschlossen, des Rätsels Lösung zu finden.
«Meiner Schätzung nach», erklärte er schließlich, «müsste es an dieser Ecke sein.» Er deutete auf eine Stelle rechts vor ihnen.
Abby folgte seinem Finger und begann, die Bücherregale zu untersuchen, fand aber nichts, was ihr irgendwie außergewöhnlich vorgekommen wäre. Sie ging wieder zurück, blieb am ersten Fenster stehen und stützte sich auf ein Regal. «Ich kann nichts entdecken.»
«Wenn es so etwas wie einen Riegel geben sollte, ist der gut versteckt», meinte Myles. «Außerdem habe ich diesen Raum schon durchsucht.»
Abbys Arm glitt vom Regal ab, und sie starrte verblüfft auf die Stelle, wo eben noch ihr Ellbogen geruht hatte. Die Bücher waren ein Stück nach hinten gerutscht.
«Komisch.»
«Was?» Myles eilte zu ihr und der verdächtigen Wand.
Abby schob weitere Bücher nach hinten. «Die Regale hier sind tiefer als –» Sie ging zu dem Regal unter der Wand und drückte gegen die Buchrücken, die sich aber nicht bewegen ließen. «Als diese Regale hier.»
«Sie bewirken, dass der Raum rechteckig wirkt –»
«Obwohl er es gar nicht ist.»
Myles ging auf die Zimmerecke zu. «Das heißt also … das heißt, dass der Eingang hier irgendwo sein müsste, aber ich habe schon überall nachgesehen.»
Abby trat zu ihm. «Vielleicht hast du ihn ja trotzdem übersehen.» Er warf ihr einen finsteren Blick zu. «Na und? Kann doch mal vorkommen. Versuchen wir’s also noch einmal. Du nimmst diese Seite, ich die, und wir treffen uns in der Mitte.»
Sie untersuchte das Bücherregal und zog dabei an jedem Buch in ihrer Reichweite oder schob es hinein in der Hoffnung, dass es eine Art Hebel sein könnte. Als sie sich in der Mitte trafen, überprüfte Abby den unteren Teil, während Myles sich um die oberen Regalbretter kümmerte.
Schließlich gab Myles enttäuscht auf. «Ich hab’s dir doch gesagt.»
Sie ignorierte ihn und tastete unter den Regalbrettern selbst nach einem Hebel oder Knopf, bevor sie ebenfalls seufzend aufgab. «Da ist garantiert irgendwo ein Hohlraum, aber wie kommen wir rein?»
Myles war mittlerweile zu einem Porträt geschlendert, das über dem Kamin hing – im einzigen bücherfreien Teil des Raums, von den Bereichen unter den Fenstern abgesehen. «Das Bild ist mir noch nie aufgefallen», sagte er und blickte zu dem Porträt auf.
«Was ist damit?» Abby trat zu ihm und betrachtete das in einen kunstvoll verzierten Goldrahmen gefasste Porträt einer jungen Frau. Es ähnelte stark den Holbein-Porträts und denen von englischen Monarchen des Hauses Tudor, die sie aus Büchern kannte und in denen die porträtierte Person immer irgendwie flach wirkte. Wolken kastanienbraunen Haares schwebten über dem Gesicht der Frau
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