Götter der Lust
leuchtete in das Loch, wobei er und Abby fast mit den Köpfen zusammenstießen. Er wollte die Fackel gerade hinunterfallen lassen, als sie ihn davon abhielt.
«Was ist, wenn da unten etwas Brennbares herumliegt?Außerdem habe ich das hier dabei.» Sie zog die kleine Taschenlampe aus ihrer Handtasche, hielt sie nach unten und sah eine Leiter, die in der Dunkelheit verschwand. Abby beugte sich vor und erkannte im Lichtstrahl den mit Laub bedeckten Boden.
Sie blinzelte. «Der Schacht scheint ganz unten weiter zu werden, siehst du?»
«Ja, und zwar unter dem eigentlichen Tempel, wie ich annehme.» Er streckte die Hand nach der Taschenlampe aus, und sie gab sie ihm. «Wollen wir?»
«Nach Ihnen.» Sie ließ ihm mit einer Handbewegung den Vortritt.
Grinsend schwang er sich in die Öffnung und stieg die Leiter hinab. Unten angekommen, rief er zu ihr hoch. «Wirf die Fackeln runter. Es ist zu dunkel hier unten.»
Abby gehorchte, nahm ihre Röcke in eine Hand und stieg ebenfalls hinab.
«Vorsichtig!», drang Myles’ hallende Stimme zu ihr. «Diese Leitersprossen sind schon ziemlich alt.»
Unten schüttelte sie ihre Röcke aus. «Myles?»
In der kreisrunden Kammer lagen Fackeln über den Boden verstreut. Myles stand in der Mitte des Raums, und ein goldener Schimmer fiel über seinen Körper.
Er schien ganz auf etwas konzentriert, das vor ihm stand – die Statue, wie Abby vermutete –, während sie die Wände der Kammer ausgesprochen faszinierend fand. In kräftigen Goldgelb-, Rot- und Blautönen sprangen Männer und Frauen durch verschiedene Bilder. Der locker um ihre Körper drapierte weiße Stoff gab hier und dort den Blick auf eine Brust oder einen Penis frei.
Frauen jagten Männern hinterher, und Männer mit braunen, behaarten Ziegenbeinen, gehörntem Kopf und erigiertemPenis jagten Frauen. Andere aßen Weintrauben, deren purpurroter Saft ihre Haut und ihre knappe Kleidung befleckte.
«Myles», hauchte Abby in die Stille hinein, «das ist unglaublich.»
Er drehte sich um. Er blickte reichlich wild drein, und nun sah Abby auch den Grund dafür – sah, was er die ganze Zeit über angestarrt hatte.
«Ach du meine Güte.» Die Goldplattierung der lebensgroßen Statue brachte im Licht der überall verteilten Fackeln den ganzen Raum zum Leuchten. Die Statue stellte Dionysos als muskulösen Mann im besten Alter dar. In der einen Hand hielt er Trauben, während er mit der anderen auf den größten Schwanz deutete, den Abby je gesehen hatte.
Sie trat näher, überwältigt von der detailgetreuen Ausführung der Skulptur bis hin zum Penis mit seiner gerundeten Eichel, den dicken Adern am Schaft und den kraftvollen Sehnensträngen. Sie musste sich zwingen, den Blick weiter nach oben auf den Waschbrettbauch des Gottes und schließlich auf seine breite Brust zu richten, in die sogar feine geringelte Härchen eingeritzt waren.
«Wow», entfuhr es ihr, bevor sie sich zu Myles umdrehte, der nicht weniger fasziniert war als sie. «Aber wie kriegen wir sie hier raus? Die passt doch nicht durch die Falltür.»
«Mach dir darum mal keine Sorgen.» Myles zog sie an sich. «Das ist die Erfüllung all meiner Träume, liebe Abby. Darauf habe ich seit Jahren hingearbeitet. Wenn ich die Statue der Dilettanti-Gesellschaft präsentiere, können sie gar nicht mehr anders, als mir die Mitgliedschaft anzubieten.»
«Was für eine Gesellschaft?», fragte Abby blinzelnd.
«Die Dilettanti-Gesellschaft. Eine Art Club. Die einzige Möglichkeit, dort aufgenommen zu werden, besteht darin,ihnen ein besonders bemerkenswertes antikes Kunstwerk zu bringen. Mein Vater versuchte es mit ein paar wirklich schönen Stücken, aber sie wiesen ihn ab.» Er verzog verärgert den Mund.
Abby lehnte sich an ihn. «Myles», schnurrte sie und genoss das zarte Gefühl ihrer sich allmählich aufbauenden Erregung – kein Wunder bei all der erotischen Kunst um sie herum. «Was gehen uns diese Männer an? Die sind es doch gar nicht wert, dass du ihretwegen deine Zeit verschwendest.» Ihre Finger krochen in die Öffnung seines Kragens. «Du bist besser als die alle zusammen.»
«Genau deshalb will ich ihnen das auch beweisen.» Das wütende Funkeln schwand aus seinem Blick, er nahm sie in die Arme und zog sie an sich. «Ohne dich hätte ich das nie geschafft.» Seine Lippen fuhren zärtlich über die ihren.
«Doch», widersprach Abby grinsend. «Aber dann hätte es nicht so viel Spaß gemacht.»
«Apropos Spaß, lass uns feiern.» Myles machte sich
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