Götter der Nacht
Saat irgendwo im Süden versteckte, im Herzen des Königreichs Wallatt. Wenn sie zu ihm wollten, mussten sie tief in feindliches Gebiet vordringen. Aber diese Begegnung verschob Grigán auf später. Südlich vom Tal der Krieger war es viel zu gefährlich. Er
hatte vor, einen großen Bogen zu schlagen und dann von Osten her auf Wallos zuzureiten. Außerdem wollte er auf keinen Fall, dass die anderen seine Zweifel an ihrem Vorhaben bemerkten.
Auch die Einheimischen östlich der Grenze hatten das Tal der Krieger verlassen, und so ritten die Gefährten mehrere Meilen durch eine Ödnis, in der keine Menschenseele lebte. Die Barbaren waren Meister in der Kunst der Einschüchterung, und überall säumten makabre Trophäen den Weg. Sie kamen immer wieder an erhängten, gepfählten oder enthaupteten goronischen Soldaten und thalittischen Rebellen vorbei, die Eindringlinge abschrecken sollten.
Mit einem Mal bog Grigán scharf nach Osten ab und trieb sein Pferd zu gestrecktem Galopp an. Die anderen folgten ihm, während sie sich nervös nach dem Grund für seine plötzliche Eile umsahen. Erst im Schutz einer Baumgruppe, die auf das baldige Ende des öden Tals hindeutete, erlaubte Grigán ihnen, die Pferde zu zügeln.
»Habt Ihr etwas gesehen?«, fragte Léti laut, um das Schnauben der Pferde zu übertönen.
»Eine Gruppe Reiter, ein Stück südlich von hier«, antwortete Grigán und starrte auf die Ebene hinaus. »Zehn, vielleicht zwölf Männer.«
»Wallatten?«, fragte Yan.
»Keine Ahnung. Sie waren zu weit weg.«
»Glaubt Ihr, sie haben uns gesehen?«
»Wenn ich sie sehen konnte, konnten sie uns auch sehen. Vor allem, da sie in unsere Richtung unterwegs waren.«
»Ich frage mich, ob Eure Fantasie Euch nicht einen Streich gespielt hat«, sagte Rey und starrte angestrengt gen Süden. »Ich kann immer noch nichts erkennen.«
»Dort drüben«, sagte der Krieger gereizt und wies auf einen schwarzen Punkt in der Ferne. »Sperrt Eure Augen auf, wenn Ihr nicht wollt, dass Euer Kopf auf einem Pfahl endet!«
»Weise Eurydis!«, rief Lana aus.
»Fürchtet Euch nicht, Lana«, sagte Rey unbekümmert. »Das würde Grigán nie zulassen. Nicht wahr?«
»Führt mich nicht in Versuchung«, knurrte dieser.
Grigán beobachtete die Ebene noch eine ganze Weile, bevor er das Zeichen zum Aufbruch gab. Sie hielten sich, so weit es ging, im Schutz der Bäume, und die Strecken über freies Feld legten sie im Galopp zurück. Bald wurde der Wald dichter und die Gefahr, gesehen zu werden, geringer. Dennoch ließ die Wachsamkeit der Erben nicht nach. Bei jedem Zeichen Grigáns zügelten sie ihre Pferde und machten sich bereit, die Flucht zu ergreifen oder zu kämpfen.
Seit der Morgendämmerung hatten sie keine längere Rast mehr eingelegt, aber die Furcht war stärker als ihre Müdigkeit, und niemandem kam es in den Sinn, sich zu beschweren. Alle wussten, dass sie schnellstmöglich vom Tal der Krieger fortkommen mussten. Bei Einbruch der Nacht machten sie schließlich Halt, denn sie konnten nicht riskieren, ihre Laternen zu entzünden. Wieder einmal würden die Gefährten eine Nacht unter freiem Himmel verbringen. Als sie ihre Decken auf dem moosigen Waldboden ausbreiteten, erinnerte sich Yan wehmütig an die prachtvollen Gemächer des Eroberten Schlosses, Zarbones Haus auf der Insel Sammlung, Sapones Palast in Romin und die verschiedenen Herbergen, in denen sie übernachtet hatten, ja sogar an den Keller von Raji dem Schmuggler, die Kabine der Othenor und die Wagen der Gaukler. Die Gefährten waren bereits an so vielen verschiedenen Winkeln der Welt
gewesen. Wohin würde es sie als Nächstes verschlagen? Es sah ganz so aus, als wäre dies ihre letzte Etappe …
Seit sie in den Osten vorgedrungen waren, hatte Yan das Gefühl, dass sich ihr Abenteuer seinem Ende zuneigte. Es war eine böse Vorahnung. Usuls Prophezeiungen gingen ihm nicht aus dem Sinn: Grigán würde sterben, noch bevor ein Jahr verstrichen war, und die Oberen Königreiche würden einen blutigen Krieg verlieren.
Gewiss, die Zukunft änderte sich, sobald sie enthüllt wurde, aber Yan wusste nicht, wie er die Erfüllung der beiden Prophezeiungen verhindern sollte. Wenn er es versuchte, machte er womöglich alles nur noch schlimmer. Daher war er versucht, einfach nichts zu tun und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Aber waren die Erben nicht gerade dabei, sich nach Usuls Prophezeiungen zu richten? Wäre Corenn auch auf die Idee gekommen, den Rideau zu überqueren, wenn Yan
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