Götter der Nacht
nichts von dem bevorstehenden Krieg erzählt hätte? Stürzten sie sich vielleicht geradewegs ins Verderben, obwohl sie überzeugt waren, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln?
Er stützte die Hände in die Hüften und beobachtete seine Freunde. Bowbaq nahm den Pferden ihre Lasten ab. Grigán erklärte Léti, wie man Fallen auslegte, die einen Alarm auslösten, sobald sich jemand ihrem Lager näherte. Schon im Buschland von Kaul hatte er ihren Schlafplatz auf diese Weise gesichert. Rey entzündete ein Feuer und lächelte Lana augenzwinkernd zu. Die Maz durchforstete die Vorräte, um den Gefährten ein Abendessen zu bereiten, und Corenn stand neben ihm und machte das Lager zur Nacht zurecht.
Bisher waren sie trotz aller Gefahren immer mit dem Leben davongekommen. Was, wenn sie diesmal die falsche
Entscheidung getroffen hatten? Was, wenn sie in die falsche Richtung ritten?
»Wir dürfen nicht nach Wallos gehen«, verkündete Yan plötzlich und war selbst überrascht von seinen Worten.
Die anderen hielten inne und sahen ihn erstaunt an. Yan wusste nicht, was er als Nächstes sagen oder wie er seinen Entschluss erklären sollte.
»Warum?«, fragte Corenn neugierig. »Hast du uns etwas verheimlicht? Was hat Usul dir gesagt, von dem wir nichts wissen?«
»Nichts«, log Yan und dachte an Grigáns furchtbares Schicksal. »Es ist nur so eine Art Vorahnung. Ich habe keine Angst«, fügte er hinzu, als müsste er sich rechtfertigen. »Das heißt, nicht mehr als nötig. Aber … Ich glaube einfach nicht, dass wir es schaffen, zu Saat vorzudringen, wenn er tatsächlich eine ganze Armee zur Verfügung hat.«
»Er hat recht.« Grigán ergriff die Gelegenheit, um den anderen seine eigenen Zweifel zu offenbaren. »Wären unsere Feinde Thalitten, hätten wir eine Chance gehabt. Ihre Stellungen befinden sich direkt hinter dem Tal der Krieger, und sie sind den Goronern zahlenmäßig unterlegen. Doch jetzt …«
»Was ändert das schon?«, fragte Rey. »Wir hatten doch nie vor, eine ganze Armee zu besiegen. Was spielt es für eine Rolle, ob sie aus Wallatten oder Thalitten besteht?«
»Jetzt müssen wir viel mehr feindliche Linien überqueren. Wir sind nur zu siebt, und keiner von uns spricht ihre Sprache. Zumal Ihr ja noch nicht einmal Reiter auf freier Strecke sehen könnt.«
»Aber … Ich dachte, wir würden einen Bogen um die feindlichen Linien schlagen und von Osten her nach Wallos reiten?«, fragte Lana verwundert.
»Das wird nicht funktionieren«, sagte Grigán kopfschüttelnd. »Ihre Strategen scheinen mir nicht auf den Kopf gefallen zu sein. Wenn sie so schlau waren, Katapulte entlang der Küste aufzustellen, müssen wir auch damit rechnen, dass sie ihre Flanken überwachen.«
»Ich verstehe das nicht, Grigán. Warum habt Ihr uns bis hierher geführt, wenn Ihr nicht an unsere Chancen glaubt? Was habt Ihr Euch dabei gedacht?«
Verlegen tastete der Krieger nach seinem Schnurrbart, nur um abermals festzustellen, dass er seit Trois-Rives keinen mehr trug. Die Erben warteten voller Ungeduld auf seine Antwort. Keiner von ihnen hat je einen Krieg erlebt, dachte Grigán schwermütig. Zwei junge Kaulaner, eine Ratsfrau, eine Maz, ein friedliebender Arkarier und ein großmäuliger Lorelier - das waren seine Kämpfer, und sie gaben sich dem Wahn hin, gegen eine ganze Armee erfahrener Krieger antreten zu wollen.
»Heute Morgen war mir das alles noch nicht klar. Bei dem goronischen Grenzposten wollte ich nicht umkehren. Außerdem wollte ich mir selbst ein Bild der Lage machen. Das habe ich nun getan. Zu siebt schaffen wir es nie.«
»Grigán«, rief Corenn aus und fuhr dann ruhiger fort: »Ihr habt doch nicht etwa vor …«
»Was bleibt uns anderes übrig?«, fiel er ihr ins Wort. »Allein kann ich mich an Saat heranschleichen. Gemeinsam ist es unmöglich.«
»Ihr dürft nicht allein gehen!«, rief Yan, während die anderen ebenfalls lautstark protestierten. »Auf keinen Fall!«
»Wir haben keine Wahl«, sagte Grigán. »Eine Flucht ist zwecklos. Saat wird uns überall aufspüren und uns die Züu auf den Hals hetzen oder, schlimmer noch, den Mog’lur.
Und wenn wir zusammen nach Wallos gehen, ist das unser aller Untergang.«
»Vielleicht könnten wir Saat eine Nachricht zukommen lassen«, warf Lana ein, »und ihm Verhandlungen vorschlagen.«
»Glaubt Ihr tatsächlich, er würde sich von Worten besänftigen lassen? Nur eine scharfe Klinge an seinem Hals würde uns seine Aufmerksamkeit sichern«, sagte er
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