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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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überqueren, ist ein trauriger. Mein Bruder pflegt einmal im Jahr nach Sol zu reisen, um dort mit Juwelen zu handeln. Doch obwohl er schon vor vier Monden aufgebrochen ist,
ist er diesmal nicht zurückgekehrt. Ich und meine Gefährten wollen nach ihm suchen.«
    »Ihr lügt!«, sagte der Goroner unbeirrt. »Ihr wollt zu den Wallatten!«
    Grigán und Corenn wechselten einen verständnislosen Blick.
    »Warum zum Henker sollten wir zu den Wallatten wollen, wo wir doch nach Sol reisen?«, rief Grigán gereizt.
    »Weil Ihr Spione seid!«, sagte der Mann und wies mit dem Finger auf sie. »Wallittisches Gesindel!«
    »Führt Ihr denn auch gegen Wallitt Krieg?«, fragte Corenn erstaunt.
    Als er Corenns ehrliche Überraschung sah, kamen dem goronischen Hauptmann erste Zweifel. Er brüllte etwas weniger laut, behielt aber seinen abweisenden Tonfall bei.
    »Gegen wen kämpfen wir hier denn Eurer Meinung nach? Vielleicht gegen Kaulaner?«
    »Wir dachten, gegen Thalitten.«
    »Thalitt ist besiegt. Fast alle Barbaren des Nordens sind tot oder haben sich der wallattischen Armee angeschlossen. Als ob Ihr das nicht wüsstet!«
    »Natürlich wussten wir das nicht! Warum sollten wir Euch nach den feindlichen Truppen fragen, wenn wir zu ihnen gehörten?«
    Während der Mann über der zwingenden Logik ihrer Antwort brütete, beriet sich Corenn mit ihren Gefährten.
    »Dort steckt Saal also«, sagte sie. »Bei den Wallatten. Ich weiß zwar nicht viel über die Geschichte des Ostens, aber ich meine mich zu erinnern, dass die wallattische Zivilisation nach der tuzeenischen die am höchsten entwickelte ist.«

    »Also haben die Oberen Königreiche es mit einem furchterregenden Feind zu tun«, sagte Rey.
    »Aber auch die Wallatten müssen den Umweg über das Tal der Krieger nehmen«, sagte Lana. »Die Goroner werden sie zurückschlagen, und die Lorelier werden ihnen bald zu Hilfe kommen.«
    »Wo ist eigentlich Eure Armee?«, rief Grigán zu dem Hauptmann hoch.
    Der Mann grinste hämisch, zeigte gen Norden und machte eine ausladende Geste. »Seht Ihr sie nicht?«
    Die Gefährten kniffen die Augen zusammen und versuchten vergeblich, in der düsteren Landschaft etwas zu erkennen.
    »Ich sehe nichts«, sagte Léti.
    Sie wandte sich zu Grigán um, der von allen die schärfsten Augen hatte. Mit ernster Miene ließ er den Blick von Norden erst nach Westen und dann nach Osten schweifen.
    »Da ist sie«, sagte er schließlich. »Am Horizont.«
    Ungläubig starrte Léti abermals in die Ferne, und nach einer Weile blieb ihr der Mund offen stehen. Was sie für den Horizont gehalten hatte, war in Wahrheit eine Ansammlung von Zelten, Befestigungsanlagen, Karren, Soldaten, Pferden und Fahnen. Sie waren zu klein, um Einzelheiten erkennen zu können, doch zusammen färbten sie die Landschaft grau und zeichneten sich als gezackte Linie vor dem Horizont ab.
    »Seid Ihr nun zufrieden?«, fragte der Mann mit gespielter Freundlichkeit. »Kehrt um, wenn Euch das Leben lieb ist. In wenigen Dekaden, wenn das wallattische Gesindel seine Truppen zusammengezogen hat, wird auf diesen Feldern eine der größten Schlachten des Jahrhunderts ausgetragen werden.«

    »Meister Offizier«, rief Lana zu ihm hoch. »Bei Eurydis’ Weisheit, bitte helft uns. Wir sind fest entschlossen, die Grenze zu überqueren, und wir werden es nicht schaffen, wenn Ihr uns die Auskunft verweigert.«
    Lanas Charme und ihr Priestergewand bewegten den Mann endlich dazu, ihnen eine Antwort zu geben. Die Goraner brachten Priestern tiefe Ehrfurcht entgegen.
    »Die Wallatten stehen zurzeit in der Nähe der Küste«, sagte er. »Sie haben Katapulte gebaut und hindern unsere Schiffe am Anlegen. Auf so etwas wären die Thalitten nie gekommen. Haltet Euch in der Nähe der Berge, dann müsstet Ihr es schaffen. Wenn Ihr die Grenze überquert habt, rate ich Euch, auf direktem Weg nach Sol zu reisen. Haltet Euch vom Ozean fern und durchquert Thalitt, bis Ihr den Col’w’yr erreicht. Hinter dem Fluss dürfte es ruhiger werden.«
    Sie dankten ihm, bogen vom Weg ab und wandten sich nach Osten. Hinter sich ließen sie die schützende goronische Armee und die Zivilisationen ihrer Vorfahren zurück.
    Ihre Zukunft war ungewisser denn je.
     
     
     
    An diesem ersten Tag jenseits des Rideau ritten sie weit ins Landesinnere hinein. Mithilfe seines romischen Kompasses führte Grigán sie in südöstlicher Richtung auf Sol zu, so wie der goronische Hauptmann es ihnen geraten hatte.
    Die Gefährten ahnten, dass sich

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