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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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niedrigeren Haufen, in dem die Bücher nicht wild durcheinanderlagen, sondern ordentlich gestapelt waren.
    »Von dort drüben. Seit fast acht Jahren versucht er, die Geschichte von Jezeba systematisch zu studieren. Wie Ihr seht, ist er noch nicht weit gekommen.«
    Yan horchte auf und stürzte sich auf den Stapel. Das hatte er nicht erwartet. Zweimal hatten die Sultane von Jezeba ihren obersten Heerführer zu Nol geschickt: einmal vor dreihundert Jahren, und dann noch einmal im vorigen Jahrhundert, zusammen mit den anderen Gesandten. So konnte es durchaus sein, dass sich vor fünf Jahrhunderten etwas Ähnliches zugetragen hatte.
    Die Frage war nur, ob er ein Werk finden würde, das nicht nur alt genug war, um die Geschichte jener Zeit einigermaßen wahrheitsgetreu zu schildern, sondern noch dazu auf Itharisch verfasst war. Yan schlug rund dreißig Manuskripte auf, bevor er eines fand, auf das beides zutraf. Hastig begann
er darin zu blättern, ohne den Rauch und Brandgeruch zu bemerken, die langsam vom Erdgeschoss herunterdrangen.
     
     
     
    Grigán und Rey hatten sich im Kampf gegen die Geister völlig verausgabt und sahen mit Erleichterung, dass die Angriffe allmählich abnahmen. Obwohl sie nicht getötet werden konnten, fürchteten die Geister die Klingen und den seltsamen Schmerz, den sie ihnen zufügten. Zumindest für den Augenblick.
    Corenn versuchte, einen Ausweg aus ihrer Lage zu finden, wusste aber auch keinen anderen Rat, als abzuwarten, bis die Geister müde wurden - was vielleicht nie geschehen würde. Wenn einer von ihnen davonschwebte, kehrte er bald wieder zurück, und in der Zwischenzeit war längst ein anderer an seinen Platz gerückt. Der Saal füllte sich immer mehr.
    Wäre ihre Angst vor den Klingen nicht gewesen, hätten die Geister mit einem gezielten Angriff einfaches Spiel gehabt. Glücklicherweise schien es ihnen nicht zu gelingen, eine gemeinsame Strategie zu entwerfen. So zogen sie ihre Kreise und kicherten oder sangen, Hulsidors Krallentöter, Muffensauser, Kragenwürger, Schädelknacker und Bücherbolde. Corenn erkannte jede Art an ihren Angriffsversuchen. Als der Gesang einiger Geister in einen schrillen Schrei mündete, machte sie auch die Heulfurien aus.
    »Es reicht!«, schrie Lana verzweifelt und presste sich die Hände auf die Ohren. »Bei Eurydis, es reicht!«
    Die Geister wurden mit einem Schlag mucksmäuschenstill, und selbst die aufdringlichsten wichen einige Schritte zurück. Die Priesterin hob langsam den Kopf. Sie konnte das Wunder noch nicht fassen.

    »Gelobt sei Eurydis!«, rief sie aus.
    Etliche Geister fauchten, andere drohten mit ihren Krallen und Fangzähnen. Der Name der Göttin schien sie zwar auf Abstand zu halten, steigerte aber zugleich ihre Wut. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihr Zorn die Oberhand gewinnen würde.
    »Eurydis! Eurydis!«, riefen die Erben mit nie gekannter Inbrunst.
    Corenn ließ sich von dieser neuen Hoffnung hinreißen und entfesselte ihren Willen, während sie weiter den Namen der Göttin rief. Jaulend zuckten die Geister zurück. Beflügelt von diesem Erfolg sprangen die Erben vom Tisch und liefen mit beschwörenden Rufen auf die Tür zu. Aber an eine Flucht war nicht zu denken.
    Drei neue Geister waren aufgetaucht und versperrten ihnen den Weg. Die anderen wichen enttäuscht zurück, wie ein Wolf, der einem Bären seine Beute überlässt. Die Gespenster, die nun durch dieses Ehrenspalier schwebten, hatten menschliche Züge. Weibliche Züge, um genau zu sein. Und der Name Eurydis schien sie völlig kalt zu lassen.
    »Sirenen«, erinnerte sich Grigán. »Der Rominer hat uns vor ihnen gewarnt. Hört nicht hin, wenn sie zu Euch sprechen!«
    Eine der drei sah den Krieger an und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, bei dem ihre Zähne aufblitzten. Ihre Eckzähne waren ungewöhnlich lang und spitz.
    ›Willkommen, Sterbliche‹, summte der Geist in ihren Köpfen. ›Was führt Euch zu uns?‹
    Grigán stellte sich vor seine Freunde und hielt die Geister mit dem Krummschwert in Schach. Irgendwo hinter ihm skandierte Lana ununterbrochen den Namen der Göttin, um die Meute blutrünstiger Gespenster fernzuhalten.

    Corenn brachte es nicht über sich, die Frage zu ignorieren, auch wenn sie einen Hinterhalt witterte, wie ihn selbst der Graf Darn-Tan nicht hätte ersinnen können. »Wir kommen nicht als Feinde«, brach sie das Schweigen.
    ›Dafür seid Ihr aber recht gut bewaffnet‹, spottete der Geist. ›Sind all diese blanken Klingen wirklich

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