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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Chance hatte.
Sie verausgabte sich immer weiter, während ihre Gegner keinerlei Müdigkeit zeigten. Sie war verletzt, während ihre heftigsten Schläge für die Geister nur lästige Stiche waren.
    Also beschloss sie, die Taktik zu ändern, und wartete auf den geeigneten Moment, um sie in die Tat umzusetzen. Endlich verharrten beide Geister gleichzeitig für einen kurzen Augenblick in Abwehrhaltung. Körperlos. Sie stürzte durch die schemenhaften Gestalten und lief zu Bowbaq.
    Die Angreifer ließen ihr gerade noch Zeit, dem Riesen gegen den Knöchel zu treten. Bowbaq schrie vor Schmerz auf und sah sich benommen um, als sähe er den Raum zum ersten Mal.
    Der weibliche Geist schoss auf ihn zu und verschwand in seinem Körper. Bowbaq versteifte sich und setzte sich dann wieder schwerfällig in Bewegung. Er hob einen schweren Stapel Papier in die Höhe und warf ihn ins Feuer.
    Léti spürte Verzweiflung in sich aufsteigen. Gleichzeitig packte sie die rettende Wut, jener Überlebensinstinkt, der Menschen im entscheidenden Moment über sich hinauswachsen lässt.
    Ihr Gegner nahm Gestalt an, um ihr an die Gurgel zu springen, wie er es schon unzählige Male versucht hatte. Léti ließ ihr Rapier fallen und packte ihn an dem, was sie für seine Handgelenke hielt. Der unwirkliche Körper fühlte sich eiskalt an. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen und schleuderte die Gestalt ins Feuer. Wacher Geist.
    Kreischend wand sich die Erscheinung in den Flammen. Dann löste sie sich auf. Sie war so schnell verbrannt wie ein welkes Blatt.
    Die junge Frau wandte sich Bowbaq zu und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Der rettende Einfall kam ihr nicht mehr.

    Über ihr stürzte ein Teil der Decke ein, und sie verlor das Bewusstsein.
    Das Feuer fraß sich weiter voran.
     
     
     
    Yan jubelte. Er hatte recht gehabt. Corenn hatte recht gehabt. Der Besuch im Tiefen Turm von Romin hatte sich gelohnt. Nun wussten sie endlich mehr über die Pforten. Da stand es, schwarz auf weiß. Der ersehnte Hoffnungsschimmer.
    Die Geschichte Jezebas war nicht besonders ereignisreich. Seit die letzte Herrscherdynastie an die Macht gekommen war, regierte sie mit so eiserner Hand, dass die Geschichtsschreiber keinerlei Putschversuche, Aufstände oder Verschwörungen zu verzeichnen hatten. So hatten sie sich darauf verlegt, ausführlich das Leben am Hof des Sultans zu schildern. Unter anderem erwähnten sie eine geheime diplomatische Mission, die fünf Jahrhunderte zurücklag.
    Es war nicht mehr als ein kurzer Absatz in einem drei Daumen dicken Buch, von dem es wahrscheinlich nur noch dieses eine Exemplar gab. Aber er lieferte den Erben eine unschätzbar wertvolle Auskunft.
    In dem Abschnitt war von einem merkwürdigen Wahn die Rede, der einen Berater des Sultans befallen hatte, nachdem er von einer langen Reise in Begleitung eines Fremden namens Nol zurückgekehrt war. Der Mann schwang große Reden über ein wundersames Land, sonderbare Kinder und dunkle Höhlen voller Gefahren. Der Sultan hielt es für das Beste, den Verrückten in einen Kerker werfen zu lassen und die Sache damit zu vertuschen. Das war aufschlussreich und bestätigte, was die Erben bereits wussten. Aber in dem Buch stand noch etwas sehr viel Aufregenderes.

    Die weite Reise war nicht von der Insel Ji ausgegangen, sondern hatte in Sol begonnen, im Land Oo mitten in den Königreichen des Ostens, jenseits des Rideau.
    Das Werk beschrieb einen Ort, an dem sich eine weitere Pforte befand.
    Yan wollte die Seite schon herausreißen, doch dann widerstrebte es ihm, ein Buch zu beschädigen, zumal dieses Exemplar nach so vielen Jahrhunderten immer noch in einwandfreiem Zustand war. Ebenso wenig brachte er es über sich, es einfach mitzunehmen - ein Dieb oder Plünderer wollte er auf keinen Fall sein. Also prägte er sich den Abschnitt genau ein.
    Sein Fund beflügelte ihn nur noch mehr. Gerade griff er eifrig nach weiteren Büchern, als Hulsidor ihm etwas zurief.
    »Findet Ihr nicht, dass es irgendwie seltsam riecht?«
    Erschrocken versuchte sich Yan zu erinnern, wo er sein Schwert abgelegt hatte. Er glaubte, der Bibliothekar meine den beißenden Gestank von heißhungrigen Geistern. Aber es roch nach etwas anderem - etwas nicht minder Gefährlichem.
    Hulsidor ging zur Tür und schob sie ein Stück auf. Sofort drang dichter weißer Rauch in den Saal und trug Brandgeruch herein.
    »Es brennt!«, schrie er. »Nichts wie weg hier!«
    Yan spähte ins Treppenhaus und erbleichte. Hulsidor hatte recht.

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