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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Wesen je zu Gesicht bekommen hatte, und eine genauere Beschreibung wollte ihm nicht gelingen. Mit leichtem Bedauern ließen sie das Thema fallen. Nach einer Verfolgungsjagd über mehr als zwanzig Stockwerke hätte Corenn gern ein wenig mehr über diesen Geist herausgefunden.
    Yan erzählte ihnen von seiner bemerkenswerten Entdeckung, dem Hinweis auf eine weitere Pforte, die ins Jal’karu führte. Sie befand sich in Sol im Lande Oo, im Herzen der Königreiche des Ostens. Nol hatte sie vor fünf Jahrhunderten in Begleitung einiger Weiser durchschritten, so wie er es später mit den Vorfahren der Erben auf Ji getan hatte.
    »Dann gibt es also mindestens vier«, stellte Corenn fest. »Wir kennen die Pforte von Ji, die Pforte in Jerusnien scheint unauffindbar zu sein, und der Große Sohonische Bogen in Arkarien hat noch nie übernatürliche Kräfte gezeigt. Vielleicht wäre die Pforte von Sol …«

    Grigán begegnete Corenns Blick und wusste sogleich, worauf sie hinauswollte. »Das ist heller Wahnsinn«, protestierte er. »Die Reise würde länger als fünf Dekaden dauern und zum Teil durch die Königreiche des Ostens führen. Uns wird bestimmt etwas Besseres einfallen!«
    »Ith liegt doch schon auf halbem Wege«, hielt die Ratsfrau dagegen. »Immerhin besteht die Möglichkeit, dass es uns gelingt, die Pforte von Sol zu durchschreiten. Wir sollten darüber nachdenken …«
    Sie brach unvermittelt ab, als Lana mit ernster Miene zu ihnen stieß. Die Priesterin hatte die Übersetzung des Pergaments fertig gestellt, das sie den Sirenen entrissen hatte. Die anderen lauschten andächtig, während sie vorlas.
     
    Weder gut noch böse ist ein Kind
Arglos sind Menschen wie Götter
Mensch ist das Wesen von Anbeginn
Götter entspringen der Menschen Sinn
     
    Sterblich, wem der Leib Leben gewährt
Ewig, wer aus dem Geiste sich nährt
Glasklare Wasser der Gärten von Dara
Schwarzer Morast der Höhlen von Karu
     
    Gelobter Tag, an dem die Götter die Stimmen vernehmen
Die Pforten geöffnet, die Wächter in Ketten
Das Unrecht verbannt, die Tugend gekrönt
Wenn die Höchsten endlich ihre Fesseln sprengen.
     
    Auf ihre Worte folgte eine lange Stille. Die Priesterin bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, dass sie zu Ende gesprochen hatte. Die Erben sahen sich verwirrt an.

    »Und was soll das heißen?«, fragte Bowbaq leicht beunruhigt.
    Lana überlegte lange, wie sie ihre Antwort formulieren sollte. In dem Gedicht wimmelte es von Andeutungen und mystischen Bezügen, die kein Maz je verstehen würde, wenn er das Geheimnis der Erben nicht kannte. Ihren Freunden gegenüber musste sie sich so klar wie möglich ausdrücken.
    »Das bedeutet, mein guter Bowbaq, dass es mit den Kindern hinter der Pforte eine besondere Bewandtnis hat. Eine ganz besondere Bewandtnis«, betonte sie. »Das Jal’dara ist eine Art Paradies, und noch viel mehr als das. Es ist die Kinderstube der Götter.«
    Es dauerte eine Weile, bis alle begriffen hatten, was ihre Worte bedeuteten. Ihnen dämmerte eine furchtbare Erkenntnis.
    Dann war das Land hinter der Pforte auch die Brutstätte der Dämonen.
    Allmählich begannen sie zu erahnen, was ihre Vorfahren durchlebt haben mussten und woher Saat seine übernatürlichen Kräfte hatte.
    Es war ein Albtraum.
    Schlimmer konnte es nicht mehr kommen, hatten sie gedacht. Was für ein Irrtum.
    Ihr Feind war mit den Unsterblichen verbündet.

ZWEITES BUCH
    DIE HEILIGE STADT

    D ie Erben waren erst seit zwei Tagen in Romin, aber sie konnten es kaum erwarten, die ungastliche Stadt wieder zu verlassen, in der sie dem Tod ins Auge geblickt hatten.
    Am Zim der Dekade der Heimstatt, dem Tag des Brotes, wie sie von Lana erfuhren, begannen sie erleichtert mit den Vorbereitungen für ihre Reise in die Heilige Stadt. Ihnen blieb nur wenig Zeit, da die meisten spät aufgestanden waren, um nach der durchwachten Nacht etwas Schlaf nachzuholen. Nun gab es so viel zu tun, dass sie kaum dazu kamen, noch einmal über ihre Erlebnisse zu sprechen. Es war ihnen auch ganz recht, erst einmal in Ruhe nachzudenken, bevor sie neue Pläne schmiedeten.
    Ihre Reise nach Ith würde über Land führen, wie Grigán und Corenn es vorgeschlagen hatten. Der Krieger wollte Zeit gewinnen, indem sie den Weg durch das Klamme Tal und die Nebelberge bis in die lorelische Stadt Le Pont nahmen, auch wenn der Anbruch der Jahreszeit der Erde ungünstige Witterung versprach. Anschließend würden sie an Lermian vorbei durch den Süden des Großen Kaiserreichs

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