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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Corenn wie aus einem Mund.
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das Große Kaiserreich behauptet, lediglich seine Truppen im Tal der Krieger verstärken zu wollen, doch seit wann braucht es eine ganze Armee, um eine Handvoll thalittischer Eindringlinge zurückzuschlagen? Deshalb rechnet König Bondrian mit dem
Schlimmsten. Falls die Goroner tatsächlich Schwierigkeiten im Osten haben, kommen wir ihnen vielleicht zu Hilfe. Falls nicht, werden wir ihnen einen gebührenden Empfang bereiten«, sagte er mit einem schmierigen Grinsen.
    Mit klopfendem Herzen lauschte Corenn den Worten des Jelenis. Ihr einziger Vorteil war, dass keiner der Gaukler oder Erben aus Goran stammte. Alles andere waren schlechte Nachrichten.
    War Saat für den drohenden Krieg verantwortlich? Befand er sich im Großen Kaiserreich und hatte vor, Lorelien zu überfallen? Oder war er bei den Thalitten und wollte die Oberen Königreiche angreifen? Wenn ja, wie? Und warum?
    »Wenn es Krieg gibt, sollten wir besser rasch in unsere Heimat zurückkehren«, sagte Rey ernst.
    »Das geht nicht«, schmetterte der Jelenis sein Gesuch ab. »Um das Eindringen von Spionen zu verhindern, darf bis auf weiteres niemand die Königsbrücke überqueren.«
    »Aber ein Umweg würde uns mindestens drei Tage kosten«, wandte Rey ein. »Wir kämen nicht mehr rechtzeitig zum Jahrmarkt.«
    »Tut mir leid«, entgegnete der Soldat, erfreut über die geringe Gegenwehr.
    »Und wenn ich Euch versichere, dass sich unter uns kein Spion befindet?«
    »Ihr seid zu viele. Das Risiko kann ich nicht eingehen.«
    »Na kommt schon! Schließlich sind wir Lorelier«, protestierte Rey, in der Annahme, dies sei sein bestes Argument.
    Corenn beschloss einzugreifen, bevor er ihre Chancen endgültig zunichte machte. Rey war zwar ein guter Schauspieler, aber das diplomatische Geschick der Ratsfrau fehlte ihm. »Meister Soldat«, begann sie. »Wenn wir den Umweg
machten, würden wir auf einen weiteren Grenzposten stoßen, nicht wahr?«
    »Das hoffe ich doch sehr«, antwortete der Jelenis misstrauisch.
    »Und dort würden uns die Soldaten aus den gleichen Gründen wie Ihr den Grenzübertritt verweigern, nicht wahr?«
    »Nein. Sie überprüfen nur, ob Ihr die seid, für die Ihr Euch ausgebt. Die Grenzen sind nicht geschlossen, sie werden nur überwacht«, sagte der Mann, als spreche er zu einem Kleinkind.
    »Ach so! Aber warum überprüft Ihr uns dann nicht hier?«, fragte Corenn. »Ihr würdet uns den Umweg ersparen, und unsere Dankbarkeit wäre Euch sicher. So hätten alle etwas davon.«
    Der Mann musterte sie aufmerksam. Corenn schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und hoffte, dass er es nicht missverstand: Sie versuchte, ihn zu bestechen, nicht, ihn zu verführen.
    »Das ist eine große Verantwortung«, gab der Jelenis gedämpft zurück. »Einer so großen Truppe die Durchfahrt zu gewähren. Das könnte mich den Kopf kosten.«
    »Nur, wenn wir keine Gaukler wären, Meister Soldat«, erwiderte Corenn. »Wir wollen doch nur rechtzeitig zum Jahrmarkt in Le Pont. Was kann Euch schon passieren, wenn wir beide dieses Gespräch gleich wieder vergessen?«
    Der Mann warf einen raschen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie nicht belauscht wurden. Doch die Wachen hatten nur Augen für die anderen Wagen, sei es, um eventuelle Spione aufzuspüren, sei es aus Neugier auf die seltsamen Reisenden.
    »Das ist eine sehr große Verantwortung«, sagte der Jelenis schließlich.

    Corenn kramte in ihrem Beutel und überreichte dem Mann ein prall mit Münzen gefülltes Geldsäckchen, das sie für derlei Zwecke bei sich trug. Blitzschnell ließ der Soldat die Börse in seiner Tasche verschwinden. Rey und Cavale waren so klug, sich nicht einzumischen.
    »Das Säckchen ist voller lorelischer Terzen«, raunte Corenn dem Soldaten zu, um zu verhindern, dass er es sich plötzlich anders überlegte. »Sorgt Euch nicht, wir sind keine Verräter.«
    Diese Worte sollten das Gewissen des Jelenis beruhigen, damit er ihnen keine Schwierigkeiten bereitete, doch der Mann schien sich nicht um die Schuld oder Unschuld der Gaukler zu scheren. Er grinste so breit, dass es keinen Zweifel gab: Er war bereits jetzt ein Kriegsgewinnler.
    Was wird er sich erst erlauben, wenn der Krieg tatsächlich ausbricht, dachte Corenn traurig. Was werden sich all die grausamen, gierigen, niederträchtigen, eitlen, missgünstigen und intoleranten Menschen herausnehmen, die schon zu Friedenszeiten nicht viel auf Gesetze geben, wenn diese

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