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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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plötzlich keine Gültigkeit mehr haben?
    Mit einem Mal kam ihr Kaul in den Sinn. Das Matriarchat war lange Jahre von Hunger und Gewalt verschont geblieben … Würde ihr Land bald von marodierenden goronischen, lorelischen oder gar kaulanischen Banden heimgesucht werden? Sah so die Zukunft der Oberen Königreiche aus?
    »Ihr könnt passieren«, verkündete der Jelenis und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Wenn Euch die Wachen auf der anderen Seite Fragen stellen, sagt, dass Ihr mit einem der Soldaten verwandt seid. Und lasst Euch hier vor Ende des Kriegs nicht wieder blicken«, setzte er drohend hinzu.
    Er machte auf dem Absatz kehrt, gab einem seiner Untergebenen
ein paar knappe Befehle und verschwand im Inneren der Festung, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    »Ich wette, er zählt bereits seine Münzen«, sagte Rey.
    »Darum wette ich nicht«, sagte Cavale. »Das ist viel zu einfach.«
    »Wie viel war denn in dem Geldbeutel, Corenn?«
    »Gerade genug. Wenn es zu viel gewesen wäre, hätte das sein Misstrauen geweckt. Echte Gaukler erkaufen sich die Durchfahrt nicht mit Gold.«
    »Rey hatte recht«, sagte Cavale bewundernd. »Ihr seid tatsächlich eine bemerkenswert kluge Frau!«
    Corenn lächelte über das Kompliment des jungen Loreliers, während Rey den Wagen durch den Durchgang der Festung lenkte. Die anderen folgten ihm. Sie machten kurz Halt, während Soldaten das Tor zum inneren Festungsring öffneten, hinter dem ein abschüssiger Pfad zur Königsbrücke hinunterführte - zwanzig Schritte tief in der Schlucht.
    Der Weg war steil, und so saßen sie ab, um den Pferden den Abstieg zu erleichtern. Bei dieser Gelegenheit fragten die anderen Reisenden Corenn, Rey und Cavale nach dem Grund für die Sperrung der Brücke. Ihr Bericht wurde mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die Gaukler waren froh, dass ihnen der Umweg erspart blieb, während sich die Erben wegen des Krieges sorgten, der über die Oberen Königreiche hereinzubrechen drohte.
    Vor allem Yan fühlte sich beklommen, denn er war in Usuls übermenschliches Wissen eingeweiht. Der Gott hatte den Krieg vorhergesagt - und ihm seinen Ausgang verraten.
    »Die Oberen Königreiche werden den Krieg verlieren«, murmelte er leise. »Noch bevor ein Jahr zu Ende geht. Ein Jahr …«

    »Was sagst du da?«, fragte Grigán scharf.
    Als er sechs Augenpaare auf sich gerichtet sah, dämmerte Yan, dass er einen Fehler begangen hatte. Aber er hatte schon zu viel gesagt, um nun zu schweigen. Und da die Prophezeiung ohnehin in Erfüllung zu gehen schien, konnte er sie auch gefahrlos aussprechen. »Das hat mir Usul verraten«, sagte er ausweichend. »Ich wusste nicht genau, was er mir sagen wollte, doch jetzt verstehe ich seine Worte.«
    »Steckt Saat hinter diesem Krieg?«, fragte Corenn sogleich.
    »Vermutlich schon. Usul hat nichts Genaues darüber gesagt.«
    »Und wo hält er sich auf? In Goran oder in Thallos?«, fragte Rey.
    »Keine Ahnung! Wenn ich das wüsste, hätte ich es nicht für mich behalten.«
    Die anderen nickten, konnten sich jedoch des Gedankens nicht erwehren, dass Yan ihnen schließlich auch den bevorstehenden Krieg verschwiegen hatte. Niemand wusste genau, was er auf der Heiligen Insel der Guori erlebt hatte. Seine weiße Haarsträhne zeugte jedoch davon, dass es eine schmerzliche Erfahrung gewesen sein musste.
    Der Wagenzug setzte sich langsam in Bewegung und folgte den beiden Soldaten, die sie zur Brücke hinunterführten. Die Wachen sollten verhindern, dass sie vom Weg abkamen und in die Schlucht stürzten. Sie blieben zurück, als die Reisenden die Brücke betraten, die den Abgrund überspannte. Es war stockfinster. Ihre Laternen waren die einzige Lichtquelle, das Holz ächzte unter dem Gewicht der Wagen, und der Wind heulte den Reisenden in den Ohren.
    Manche Gaukler genossen den Anblick der Lichter, die zwischen den Sternen und der Schlucht in der Finsternis zu
schweben schienen. Andere konzentrierten sich darauf, die Wagen zu lenken, weil sie fürchteten, dass eines der Pferde stolpern und über das niedrige Geländer in den Abgrund stürzen könnte. Die Erben wiederum waren mit den Gedanken ganz woanders.
    »Wenn Saat wirklich über eine Armee verfügt, können wir ihn nicht aufhalten«, sagte Bowbaq ernst.
    Niemand widersprach ihm. Seine Worte waren zwar düster, aber dadurch nicht weniger wahr.
    »Bald werden alle Grenzen geschlossen sein«, sagte Grigán nach einer Weile. »Wir müssen im gestreckten Galopp nach Ith reiten und dürfen

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